Die Medien und die Verbreitung von Angst

Anschläge wie den in Manchester kann man nicht totschweigen – auch wenn das eine Waffe gegen Terror wäre.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Und wieder ist es passiert. Ein Mann sprengt sich in die Luft mit einem einzigen Ziel: möglichst viele Menschen mit sich in den Tod zu reißen.

Gefühlt war der Anschlag von Manchester noch einmal dramatischer und infamer als die letzten Male, weil er einem Konzert mit vielen fröhlichen Jugendlichen und Kindern galt. Weil er ins Herz unserer Gesellschaft und ihrer Zukunft traf. Aber war das nicht im Bataclan in Paris, auf der Promenade des Anglaises in Nizza oder auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin auch so – wo die Freude am Leben am unbeschwertesten ist, soll es in einen Albtraum verwandelt werden.

Und wieder stehen die Medien vor dem Dilemma: Wie damit umgehen?

Es beginnt schon damit, dass dem Täter seine selbst gewählte Berufsbeschreibung "Terrorist" zugestanden wird. In Wahrheit ist er ein Massenmörder, Punkt.

Die entscheidende Frage ist aber: Wie weit kann und muss die Berichterstattung über diese Art von Massenmord, mit dem wir immer häufiger konfrontiert sind, gehen? Beziehungsweise wie sehr lassen sich Medien von den Hintermännern der Mörder unfreiwillig instrumentalisieren und erfüllen deren wahres Ziel: die Verbreitung einer permanenten und wachsenden Angst?

Unfreiwillig deshalb, weil nicht berichten nicht geht – auch wenn das dem Terror eine, nein: die Plattform nähme. Medien und ihre Konsumenten haben eine Informationspflicht da und einen Informationsbedarf dort. Aber über das Maß und die nötige Sachlichkeit darf nachgedacht werden, auch über die Bilder, die mehr als jedes Wort Botschaften transportieren. Der KURIER veröffentlicht keine Fotos von weinenden Angehörigen und Überlebenden des Anschlags – um das Leid der Betroffenen und die Angst nicht zu multiplizieren. Schlimm genug, dass in den sozialen Medien sich Geschmack und Anstand bei der Verbreitung von Nachricht und Bild längst verabschiedet haben. Und wenn ein öffentlich-rechtlicher Popsender am Morgen im Zehn-Minuten-Takt atemlose Betroffenheitsberichterstattung betreibt, sagt der sogenannte "Islamische Staat" danke!

Medien können auch daran erinnern, dass es viele gute Gründe gibt, bei aller Wachsamkeit weiterzuleben wie bisher: Die Gefahr, bei einem Unfall zu Schaden zu kommen, ist um ein Vielfaches höher als die, einen Anschlag zu er- und hoffentlich zu überleben.

Stimmt schon: Der allenthalben angestimmte trotzige Appell, sich von irren Islamisten nicht die Freiheit rauben zu lassen, ist durch die tatsächlich geraubte Freiheit (Sicherheitsvorkehrungen, Einschränkungen im öffentlichen Leben) schon stark relativiert. Die Medien sollten nicht dazu beitragen, die Freiheit weiter abzugraben.

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