Der Stoff, aus dem moderne Thriller sind

Die CIA spioniert. Das ist so überraschend, wie dass "WikiLeaks" enthüllt. Aber warum enthüllt sie jetzt?
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Die CIA spioniert. Das ist so überraschend, wie dass " WikiLeaks" enthüllt. Aber warum enthüllt sie jetzt?

von Andreas Schwarz

über die WikiLeaks-Enthüllungen

"Haben Sie ein Mobiltelefon? Und Sie glauben, wenn Sie es ausschalten, können Sie nicht gefunden werden? Oh doch, Sie können." Das sagte der Thriller-Autor und Spionage-Spezialist Frederick Forsyth vor gut zwei Jahren im KURIER-Interview. Und dass smarte TV-Schirme ins Wohnzimmer spähen können, ist spätestens seit dem Fall eines Hackers bekannt, der über das Auge des Geräts ein Video von einem sexuell vergnügten Pärchen drehte – es fand sich später auf einer Pornoseite wieder.

Was heute technisch alles geht, ist also bekannt. Wer das aller nutzt, ist unschwer zu erraten. Wenn dann eine Enthüllungsplattform wie "WikiLeaks" 8761 Dokumente veröffentlicht, die belegen sollen, dass und wie die amerikanische CIA diese Möglichkeiten nutzt, stellt sich nur eine Frage: Wieso gerade jetzt? Und wem nützt/schadet es?

In unsicheren Zeiten blühen Verschwörungstheorien besonders gut – und unsicher sind die Zeiten, seit Donald Trump in Richtung Weißes Haus ritt und dort auf Dauer absattelte. Der Stoff, der sich inzwischen angesammelt hat, reichte für einen neuen Spionagethriller und alle Fakten und Verschwörungen, die dazugehören:

Wir wissen, dass "WikiLeaks" im Wahlkampf Zigtausende Mails der Demokraten veröffentlicht hat. Und es gibt die nicht unplausible Vermutung, dass Russland hinter den Hacks gestanden ist, um Hillary Clinton als Präsidentin zu verhindern.

Genüssliche Rache

Wir wissen auch, dass Donald Trump Breitseiten gegen die US-Geheimdienste abschoss und sie sich nicht zu Freunden machte. Und dass diese im Gegenzug genüsslich die Kontakte des Trump-Wahlkampfteams zu Russland herausspielten. Was insinuiert, dass Trump hinter den russischen Attacken auf Hillary gestanden sein könnte.

Wir wissen zudem, dass die US-Geheimdienste über die angeblichen Erkenntnisse der russischen Kollegen informiert waren, welche Shows Donald Trump sich in Moskauer Hotels von käuflichen Damen bieten ließ.

Zu allem Überfluss sitzt der "WikiLeaks"-Gründer Julian Assange in London in der ecuadorianischen Botschaft, um sich vor Strafverfolgung in Schweden (Vergewaltigungsvorwurf) und den USA (Geheimnisverratsvorwurf) zu entziehen. Er hat angeboten, sich unter Bedingungen an die USA ausliefern zu lassen. Nützen ihm da Dokumente, die einen der Hauptfeinde Trumps’ diskreditieren, um eine geringe Strafe zu bekommen und dann endlich frei zu sein? Verwendet sich Russland für den "WikiLeaks"-Mann, weil die Papiere auch belegen, dass die CIA ausländische Geheimdienstangriffe fingieren kann? Kann Donald Trump mit genau diesem Hinweis alle Vorwürfe gegen ihn vom Tisch wischen?

Anders als in den Thrillern von Frederick Forsyth und John le Carré werden die Fäden, die da zusammenlaufen, vermutlich nie wirklich entsponnen werden. Das war früher leichter. Oder, wie Frederick Forsyth auch sagt: Die Zeiten, da Spionage über in Astlöchern versteckte Mikrofilme lief, sind längst vorbei.

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