Auf dem Meer lässt sich kein Zaun bauen

Rufe nach Schließung der Mittelmeer-Route sind populär. Mehr Fantasie braucht man beim Wie.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Es darf angenommen werden, dass Sebastian Kurz mit dieser Empörung leben kann.

von Andreas Schwarz

über die "Schließung der Mittelmeerroute"

Der Außenminister hat mit seinem Sager vom "NGO-Wahnsinn" im Mittelmeer einen Sturm der Empörung ausgelöst. Demonstrativ hat der Bundespräsident die Hilfsorganisationen eingeladen, um ihre Arbeit zu würdigen.

Es darf angenommen werden, dass Sebastian Kurz mit dieser Empörung leben kann. So wie er mit dem Gegenwind lebte, als er erstmals von der Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge sprach. Damals war noch Willkommenskultur angesagt. Heute lässt der Minister kaum eine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass seine Positionen plötzlich mehrheitsfähig sind in Europa.

Es darf daher ebenso angenommen werden, dass ihm der "NGO-Wahnsinn" nicht passiert ist. Die Verantwortlichen von Frontex hatten Kurz Ende vergangener Woche über ihre Arbeit gebrieft und auch vermittelt, dass einige private Schiffe, die unmittelbar vor der Küste Libyens Flüchtlinge retten und nach Italien bringen, quasi eine Einladung für weitere Flüchtlinge sind, in See zu stechen. Dass das nicht gut ist, ist a) wahr, b) in der Bevölkerung mehrheitsfähig und passt c) zum neuen Credo des Ministers: Mittelmeerroute schließen.

Nur: Das Mittelmeer ist nicht der Balkan. Auf Wasser lässt sich kein Zaun errichten. Und wenn man nicht auf Flüchtlingsboote schießen will, hat noch niemand ein taugliches Rezept gegen den Menschenstrom aus Afrika geliefert – Libyen ist kein Handschlag-Partner; Lager für zurückgeschobene Flüchtlinge in Ägypten oder Tunesien halten viele für eine gefährliche Destabilisierungsquelle; Libyens Südgrenze überwachen zu wollen, ist völliger Humbug.

Also bitte: Arbeiten an einem Rezept. In der EU, das ist schwierig genug – und braucht mehr Fantasie als populäre Rufe, die kein einziges Flüchtlingsboot stoppen.

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