Das Märchen, das nicht überall ankam
Dabei: Die Wahl ist in etwa so ausgegangen, wie prognostiziert.
"Wutwahl", "Ohrfeige für die Koalition", "Merkel abgestraft" – an schnellen Begrifflichkeiten mangelt es nach der deutschen Bundestagswahl nicht. Dabei: Die Wahl ist in etwa so ausgegangen, wie prognostiziert. Nur dass die AfD ein bisschen mehr dazugewonnen hat, als vorhergesagt (aber nicht einmal die Hälfte der Stimmen hat, die unappetitliche Rechtsaußen anderswo in Europa haben); und dass die Union mehr verloren hat, als die Demoskopen vorher wissen wollten – die weideten sich nur am Absturz des Martin Schulz.
Tektonische Wählerverschiebung also oder demokratiepolitisch "normale" Veränderung?
Der Aderlass der Koalition hat nicht nur mit den Zugewinnen der AfD zu tun. Und diese liegen nicht nur an der von ihr an die Wand gemalten "Überfremdung" der Bundesrepublik. SPD und Union sind als Mitte-Parteien aufgetreten, ein Ventil für Unzufriedenheit rechts der Mitte gab es bisher nicht. So kam die AfD ins Spiel – trotz der Obacht, die Deutschland dank seiner Geschichte im Umgang mit Rechtsrechten sonst übt. Aber gewonnen haben Linke, Grüne und vor allem die FDP auch.
Deutschland ist mit seinen Wirtschaftsdaten gegenwärtig wieder einmal ein Erfolgsmärchen. Viele in Deutschland, nicht nur im Osten, haben aber das Gefühl, dass ihnen dieses Märchen zwar ständig vorgelesen wird, dass sie selbst aber nicht daran teilhaben. Dieses Gefühl hat die Große Koalition entweder weggelächelt (Merkel) oder zwar angesprochen ( Schulz), was als Teil der Koalition aber wenig glaubhaft war.
Vielleicht sollte man die Kirche im Dorf lassen. Vielleicht ist eine neue Koalition mit Grünen und FDP wieder näher am Bürger dran. Und vielleicht ist eine SPD in Opposition eine Belebung der deutschen Politik. Bis zur nächsten Wahl und ihren Stimmenverschiebungen.
Kommentare