Auch Kairo will Ruhe in Gaza

Balanceakt. Muslimbrüder zwischen Solidarität und politischem Kalkül
Stefan Galoppi

Stefan Galoppi

Einmal benutzten sie sogar ägyptische Uniformen, um eine Konfrontation zwischen beiden Staaten zu provozieren.

von Dr. Stefan Galoppi

über den Konflikt im Gazastreifen

Ägyptens Premier Hisham Kandil verstand es bei seinem Kurzbesuch im Gazastreifen die Emotionen zu schüren. In einem Spital nahm er kurz die Leiche eines achtjährigen Buben in den Arm und trat dann mit blutigem Anzug vor die Presse. Diese archaische Szene sollte dem Publikum vor Ort und vor allem auch in Ägypten zeigen, wie sehr die neue, von den Muslimbrüdern dominierte Führung die israelischen Angriffe verabscheut. Demonstrativ stellte sie sich auf die Seite der Hamas, die einst aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen war.

Die Solidaritätsaktion entspricht der aufgeheizten Stimmung unter den Arabern, darf aber nicht überbewertet werden. Denn auch Ägypten hat kein Interesse daran, dass immer radikalere Gruppen neben der Hamas agieren und den Gazastreifen ins totale Chaos stürzen. Als abschreckendes Beispiel gilt der Sinai, wo El-Kaida-Sympathisanten das Machtvakuum nach der ägyptischen Revolution ausnützten, um Terrorlager einzurichten und Israel zu attackieren. Einmal benutzten sie sogar ägyptische Uniformen, um eine Konfrontation zwischen beiden Staaten zu provozieren. Seit damals greift Ägyptens Armee auf dem Sinai wieder hart durch.

Auch wenn es sich viele Ägypter wünschen, Präsident Mohammed Mursi wird den Friedensvertrag mit Israel nicht kippen. Denn damit würde er die dringend notwendige US-Finanzhilfe ebenso aufs Spiel setzen wie Ägyptens Rolle als arabische Führungsmacht, die mit allen Seiten reden kann.

Und so bieten sich auch die Muslimbrüder als Vermittler an. Unter dem Mubarak-Regime mag es zwar leichter gewesen sein, aber Israels wichtigster Draht zu den pragmatischen Vertretern in der Hamas-Führung läuft weiter über Kairo.

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