Zündstoff: Der ganz normale Weltuntergang

Zündstoff: Falsches Täter-Profil
Kurz vor Olympia werden von den Medien die üblichen Katastrophen-Szenarien produziert.
Jürgen Preusser

Jürgen Preusser

Egal, ob Fußball-WM oder EM, ob Winter- oder Sommer-Olympia: In den Wochen vor sportlichen Großereignissen produzieren Medien weltweit Schlagzeilen über Katastrophenszenarien.

So auch vor London 2012: Die Bevölkerung werde die Spiele boykottieren, ja sogar sabotieren. Apropos Sabotage: Die Sicherheitsmängel seien haarsträubend, gleichzeitig habe sich England in eine Polizei- beziehungsweise Militärdiktatur verwandelt. Und natürlich werde es in England regnen – was sonst. Aber eben nicht so regnen wie immer, nein, dieser Regen werde außerirdisch, quasi eine Sintflut, nichts werde stattfinden können, nur die Bettwanzen würden problemlos überleben. Die Fluten würden ein noch nie dagewesenes Verkehrschaos auslösen. Ein solches sei aber sowieso unvermeidlich, weil die Engländer ja boshafterweise auf der falschen Straßenseite fahren, die sie partout für die richtige halten.

Hier nun eine ganz andere Vorschau: Olympia wird stattfinden. Mit dem ersten Startschuss werden kleine menschliche Tragödien und große Triumphe den prognostizierten Weltuntergang überholen. Kleine Pannen da, große Begeisterung dort, gescheiterte Superstars auf der einen, sensationelle Nobodys auf der anderen Seite.

Die Sicherheitssperren werden funktionieren und schlimmstenfalls das Berufsleid von uns Reportern steigern. Funktionäre werden wie schon bei Olympia in London 1948 sämtliche VIP-Buffets kahlfressen.

Skandale

Natürlich wird es auch Skandale geben. Dopingbetrüger werden ungeachtet des olympischen Eides darauf bauen, nicht erwischt zu werden, enttäuschte Verlierer werden Funktionäre als unfähig bezeichnen und womöglich beim Essen stören. Jury- und Schiedsrichterentscheidungen werden das Gerechtigkeitsempfinden von Sportlern und Fans strapazieren.

Und Österreich? Theoretisch hat das kleine Land knapp 70 Medaillenchancen. Da es sich jedoch um Sommerspiele handelt, wird Österreich, das im Vergleich der Einwohnerzahlen an 92. Stelle liegt, nicht unter den Top 20 zu finden sein. Dies wird als Grund dafür herhalten, warum jede Medaille als Erfolg zu werten ist. Der Umstand, dass Sport in einem so hoch entwickelten Land im Vergleich zu anderen Ländern politisch keine Rolle spielt, wird verschwiegen werden. Politiker warten schon jetzt darauf, erfolgreichen Landsleuten Telegramme zu schicken und ihnen kamerawirksam die Hände schütteln zu dürfen.

Österreich ist keine Sport-Nation. Darum zählen von den siebzig Sportlern, die sich qualifiziert haben, auch nur ganz wenige zum erweiterten Favoritenkreis. Die sind nicht schuld daran, dass es keine Besseren gibt als sie.

Da aber selbst ein Ergebnis wie in Tokio 1964 (null Medaillen) die österreichischen Sportstrukturen nicht verändern würde, ist allen 70 Auserwählten zu wünschen, dass sie zumindest an ihren persönlichen Bestleistungen kratzen.

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