EURO statt Euro
Tote Hunde in der Ukraine, der Fall der inhaftierten Julia Timoschenko, das historisch belastete Verhältnis zwischen Russland und Polen. All das hat mit Fußball nichts zu tun. Sport wird oft für politische Botschaften aller Art missbraucht. Dabei bietet er die Chance, historischen Belastungen zu entfliehen, konfliktfrei über Grenzen zu gehen. Natürlich ist dieser Zugang naiv: Schließlich wird der Fußball auch von schamloser Korruption auf höchster Ebene, von modernem Sklavenhandel dominiert. Auch ist er zum Zirkus für oligarchische Selbstdarsteller geworden: Das Geld, das in manche Klubs fließt, sprudelt keineswegs immer aus lupenreinen Waldquellen. Das weiß man auch von der Ukraine, aber sicher nicht nur von dort. Und das wusste man schon, bevor die EM dorthin vergeben wurde. Doch Fußball als Bühne für den Schaukampf gegen politische Unzulänglichkeiten? Nein, es gab Zeiten, in denen nach den vergifteten und erschlagenen Hunden kein Hahn krähte. Zeiten, in denen das Schicksal der Familie Timoschenko im Westen kein Medium und keine Menschenseele rührte. Und nach dem 1. Juli werden diese Zeiten wieder anbrechen. Wenn sich holländische und deutsche (teilweise mit Nazi-Parolen) oder polnische und russische Hooligans im Internet zu Schlägereien verabreden, ist das schlimm genug. Dieser heiße Erdapfel wird von der Politik stets achtlos an den Fußball zurück geworfen, obwohl er ein gesellschaftliches – kein sportliches – Problem verkörpert. Primär ist Fußball Unterhaltung. Großes Kino! Und für viele Bürger der krisengeschüttelten europäischen Länder ist die Europameisterschaft eine Chance, die wirtschaftlichen Horrorvisionen für ein paar Tage zu vergessen. EURO statt Euro, lautet ihre Devise. Tolle Spiele auf unerwartet hohem Niveau, spektakuläre Tore, dazu kaum Schiedsrichterfehler – diese EURO trägt zum Glück viel dazu bei, dass sich der Fußball aus der politischen Umklammerung löst. Das beste Beispiel: Der Mittwochabend mit zwei dramatischen, vorbildlich fairen Spielen mit insgesamt acht Toren.
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