wunder WELT: Kreislauf

wunder WELT: Kreislauf
Joachim Lottmann über den wärmsten November seit langem.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Die Kinder, sechs und acht Jahre, freuen sich schon wahnsinnig auf Wien. Vor dem Einschlafen wird immer lange telefoniert. Ob es denn auch so kalt sei dort, im Winter, und ob das für die Tiere schlimm sei? Nein, sage ich, wir hätten gerade den wärmsten November seit 130 Jahren gehabt. Aber das sei gar nicht so gut für die Tiere.

Wollen es die Tiere nicht warm haben, auch nicht die kleinen? Die Eichhörnchen? Nun hole ich aus und versuche, nichts Falsches zu sagen, damit sie sich in der Schule später nicht blamieren: Durch die Klimaerwärmung werden viele Tierarten irritiert, hm, gefährdet. Manche sind sogar deswegen vom Aussterben bedroht.

Der kleine Eisbär zum Beispiel. Er liebt das Eis. Deswegen heißt er ja auch so. "Gibt es denn viele Eisbären in Wien?" – "Nein, nur sehr wenige, im Tierpark. Aber es gibt Zugvögel, Zehntausende, obwohl ... denen ist es auch zu warm. Die fliegen nicht mehr rechtzeitig in den Süden weg." – "Dann sind sie also da, wenn wir kommen? Sind sie bunt? Kann man sie streicheln?"

Ich überlegte. Bloß nichts Verkehrtes sagen! "Äh, also, die Käfer und Larven, die im Frost getötet werden, im richtigen Winter, den es nicht mehr gibt, die ..." Nein, anders, noch einmal von vorn: „Die Natur muss immer gleich bleiben, Kinder. Ein ewiger Kreislauf, vom lieben Gott eingerichtet. Bei den Tieren herrscht jetzt Chaos.

Die verstehen das alles doch nicht. Die kleinen Wühlmäuse vermehren sich viel zu stark, andere verdursten, weil der Regen ..." Ich redete weiter und weiter, fuhr mit meinem Klima-Halbwissen schließlich gegen die Wand.

"Und die Pferde?", fragte der Ältere unverzagt. Endlich eine Frage, die ich positiv beantworten konnte: „Die Pferde stehen weiter in größtmöglicher Anzahl wiehernd vor dem Stephansdom und freuen sich ganz tierisch auf euch!"

joachim.lottmann(at)kurier.at

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