wunder WELT: Feuereifer

wunder WELT: Feuereifer
Joachim Lottmann über Polizisten und Fahrradfahren am Stephansplatz.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Am Stephansplatz steht ein Kieberer, immer an der gleichen Stelle, ich kenne ihn schon. Er steht da, wo auch die Fiaker-Pferde parken, also zwischen Pferden und Rotenturmstraße. Er ist klein, untersetzt, hat einen Schnurrbart, was ja schon selten geworden ist bei Kieberern, und hat eine Polizeimütze auf. Er sieht richtig niedlich aus, so bärig. Ich habe einmal bei ihm eine Beschwerde zur Anzeige gebracht, gegen den Apotheker gegenüber. Der wollte mich eine Minute vor acht nicht mehr bedienen. Da bin ich schnurstracks zum Kieberer marschiert und habe Meldung gemacht. Ganz extra zackig, weil ich dachte, das würde bei ihm etwas Vertrautes zum Klingen bringen. Und so war es auch. Der Mann war sofort mit Feuereifer bei der Sache, hat mir im feinsten Behördendeutsch tausend Hinweise und Erörterungen gegeben: die Gewerbeordnung, das Bürgerersuchen, die Hilfe-Hotline, die Internetseite für Beschwerdefälle, die Ladenschlussgesetzänderungen und die vorgeschriebenen Wege für Verletzungsanzeigen hinsichtlich der Ladenschlussmissachtungen oder so ähnlich. "Ist ja toll, Herr Inspektor! Wirklich eine Wohltat, dass es in Österreich noch Beamte wie Sie gibt! Bedanke mich auf das Herzlichste!" Das war vor Wochen, und der Gute hat mich nicht vergessen. Als ich gestern mit Polly Adler (ich mit Sonnenbrille, sie ohne) an einem der letzten warmen Sommertage des Jahres mit Karacho über den Stephansplatz radelte, war er wieder da. Ich trat geschockt voll auf die Bremse, kam vor dem Mann zum Stehen. Theatralisch schlug ich die Hände vors Gesicht. Er sah mich neutral an. Fahrradfahren war hier verboten. Nun, der Beamte war das Leben gewohnt. Ein Lächeln huschte über sein Bärchengesicht. Ich schlich, ebenfalls lächelnd, eher dankbar grinsend, an ihm vorbei. Er hatte nichts gesehen. Nur Polly Adler musste umso ärger blechen. 80 Euro ist sie losgeworden. joachim.lottmann(at)kurier.at

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