wunder WELT: Die Stimme des Volkes
Es war so kalt, und ich hatte Lust zu reden, da bin ich kürzlich einfach in ein Taxi gestiegen. Mal wieder Volkes Stimme hören! Die schimpfen ja immer so herrlich, diese Taxler. Also die in Wien. Da genügt ein Stichwort, und sie nörgeln los. Ich sage also: "Scheiß Wetter! Scheiß Klimawandel." Der Lenker hebt die Augenbraue und macht mit. Im Winter sei es immer kalt, im Sommer werde es aber wärmer, zum Glück. Österreich profitiere von der globalen Erwärmung. Er langweilt mich mit statistischen Zahlen, und ich setze auf ein neues Thema: Der Euro. Da poltert jeder Taxler los. Der Euro ist der Teuro. Sie ziehen uns das Geld aus der Tasche. Alles wird immer teurer und so weiter. Ich sage: "Was sagen Sie zum Euro? Schlimm, oder?"
Er zögert, bis ich nachschiebe: "Also die Pleite-Griechen, die sacken den Euro jetzt ein, und was bleibt uns?" Nun kommt er in Fahrt. Der Euro-Raum, die Europäische Zentralbank, das Totsparen in der Weltwirtschaftskrise der Dreißiger Jahre, die Währungsreserven Rotchinas, der Weg Obamas und anderer Neo-Keynesianer aus der Krise.
Ich bin genervt. Wann kommt endlich der Wiener Schmäh, das liebenswerte Geblubber gegen alles und jedes? Ich unterbreche den Mann erneut. Die Politiker! Da muss er einfach anbeißen. Noch niemals hat ein Taxler so eine Chance ausgelassen. Ich sage: "Ach, die Politiker. Ich vertraue keinem mehr. Alles Verbrecher, oder?" Wieder relativiert er, differenziert, hält Vorträge anstatt anständig loszupöbeln.
Jetzt reicht es! Ich will aussteigen, lasse anhalten und verlange eine Rechnung. Auf der steht sogar sein Name: Dr. med. Imran Shakayli. Er war, erfahre ich nun, im Iran Arzt, erhielt hier aber keine Approbiation, als er vor 33 Jahren vor den Islamisten flüchtete ...
joachim.lottmann(at)kurier.at
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