Angst vor dem Abschleppen

wunder WELT: Kreislauf
wunder WELT: Joachim Lottmann über die Leiden der Autobesitzer in Wien.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Wenn einem das Auto abgeschleppt wird in Wien, scheint das zunächst nichts Besonderes zu sein. Ist das nicht schon jedem einmal passiert? Kommt das nicht in den besten Familien vor? Haben einen nicht schon gute älteste Freunde mit solchen Abschleppgeschichten gelangweilt?

Eine Frau abschleppen: gern. Aber ein Auto: gar nicht sexy. Was wird schon passieren?

Es wird irgendwo außerhalb der Stadt rumstehen, und man holt es ab. Andererseits rührt der Vorgang an unsere innersten Ur-Ängste. Dass plötzlich die eben noch geliebte, zärtliche Frau mit einem Italiener durchbrennt, etwa Mario Balotelli, oder dass das zuverlässige, rührend gepflegte Auto mit einem Mal und ohne Vorwarnung abgeschleppt wird – ist das nicht der Stoff, aus dem unsere Albträume sind? Ja, davor hat jeder Autofahrer eine latente, nie ganz abzustellende Scheißangst. Und nun ist es MIR passiert! Es stand direkt vor dem Haus, wie immer. Mit Anwohner-Pickerl an der Scheibe. Es träumte unschuldig vor sich hin. Leider diesmal zwei Meter weiter rechts als sonst, und da beginnt offiziell eine Ladezone für den Trafik-Laden hier. Die Maria hatte das beim Einparken vergessen. Der Ladenbesitzer, engagierter Rechtspopulist, rief umgehend nach dem Staat. Im Morgengrauen rückte die Polizei an. Das Auto wurde nach Niederösterreich verschoben. Für mich begann nun eine Tagesreise. Erst mit der U1 bis zum Stephansplatz, dann mit der U3 bis Simmering, dann mit dem Bus bis zur Stadtgrenze, dann mit dem Taxi querfeldein durch Österreich. Ein trostloses Road Movie mit verheerendem Ausgang: 251 Euro reine Abschlepp-Gebühr werden fällig, als wir das eingezäunte Areal im hässlichen Nirgendwo erreicht haben. Dazu 60 Euro Strafe, 18 Euro Wartegebühr, 35 Euro Taxi, und 77 Euro für das Autobahn-Pickerl, das auf der Rückfahrt anfällt. Tja, jetzt weiß ich, woher die Urangst kam!

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