Versickert im Bermuda-Dreieck

Versickert im Bermuda-Dreieck
Naivität und Malversationen kosten die Hypo Tirol weit mehr als 100 Millionen Euro. Wieder kommen die Steuerzahler zum Handkuss.
Andrea Hodoschek

Andrea Hodoschek

Kontaktieren Sie unsere Promotori Finanziari“, warb die Tiroler Landesbank mit ihrem Netzwerk an Kredit- und Finanzvermittlern im südlichen Nachbarland. Die seien nämlich „ alle darauf bedacht, den Kunden eine persönliche Beratung von höchster Qualität“ zu bieten.

Für die Bank selbst waren die Ratschläge der Promotori allerdings von zweifelhafter Güte. Die ahnungslosen Tiroler Banker ließen sich von den Vermittlern jede Menge an faulen Krediten andrehen. Die notwendigen Wertberichtigungen werden nach ersten Hochrechnungen auf 120 Millionen Euro geschätzt – es kann durchaus noch mehr werden. So genau weiß das derzeit niemand, erst ein Sechstel aller Kreditfälle in Italien ist derzeit überhaupt geprüft.

Expansionslust und Größenwahn kannten zwischen 2003 und 2008 keine Grenzen. Das Kreditvolumen in Italien wurde auf mehr als 1,3 Milliarden Euro aufgeblasen. Der Plan, die Infrastruktur von Gemeinden zu finanzieren, ging nicht auf. Also kam man mit anderen Partnern ins Geschäft. Von Südtirol über Friaul und das Veneto bis nach Sizilien wurden generös Darlehen verteilt. Teilweise gibt es weder Dokumentationen noch Unterlagen über die Kreditnehmer, oft nicht einmal Kreditverträge oder Tilgungspläne. Grundlage waren Immobilien, deren Wert höchstwahrscheinlich viel zu hoch angesetzt wurde. Die hausinternen Schätzer der Italien-Tochter der Bank kamen jedenfalls exakt immer zum selben Ergebnis wie ein externer Gutachter. 280 Immobilien werden jetzt neu bewertet.

Tirols VP-Landeshauptmann Günther Platter, der das Hypo-Fiasko politisch von seinem Vorgänger Herwig van Staa geerbt hat, wetterte über den „Saustall“. „Die haben jedem Gauner, der frei herumgerannt ist, einen Kredit nachgeworfen“, ätzt ein Insider. „Eine Mischung aus Dummheit, banalen Fehlern und Kriminalität. Die Kontrollmechanismen haben offenbar nicht gewirkt“, kritisiert der Grüne Abgeordnete Gebi Mair.

Parallelen zur früheren Geschäftsgebarung dernotverstaatlichten Hypo Alpe-Adria in Südosteuropa sind rein zufällig und für alle Beteiligten gilt wie immer die Unschuldsvermutung.

 

Aber können Banker tatsächlich so blauäugig sein oder waren auch kriminelle Machenschaften im Spiel? Hypo-Aufsichtsratspräsident Wilfried Stauder, Wirtschaftsprüfer und VP-Landtagsabgeordneter, spricht von „Hinweisen auf organisierte Kriminalität“. Eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft ist in Vorbereitung. Bei der Finanzmarktaufsicht wurden der neue Vorstandschef Markus Jochum und Stauder bereits vorstellig.

Betrügern war die Landesbank schon einmal aufgesessen. Bei einem Solarprojekt in Bayern mussten Kredite von 21,3 Millionen Euro abgeschrieben werden. Wer genau wen hereingelegt hat, ist immer noch unklar.

Die drei Hypo-Vorstände wurden geschasst, „einvernehmliche Trennung“ hieß es im offiziellen Sprech. Zuerst ging Chef Hannes Gruber, dann folgten die Kollegen Werner Pfeifer und Günter Unterleitner. Die Höhe der Abfindungen, die Stauder mit dem Trio ausverhandelte, wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Im Innsbrucker Landhaus wird eine Größenordnung von einer Million Euro kolportiert.

 

Die damaligen Aufsichtsräte, die sich auf die Wirtschaftsprüfer KPMG und PwC berufen, denen wiederum rein gar nichts aufgefallen war, müssen sich Kritik gefallen lassen. Wie bei den Landesbanken üblich, saßen Politiker im Gremium – was noch keiner Bank sonderlich gut getan hat. Vorsitzender war Helmut Mader, VP-Urgestein. „Die Ampeln waren stets auf Grün“, ansonsten hätte man sicher gehandelt, verteidigt sich der ehemalige Landtagspräsident. „Überrascht“ von der Dimension des italienischen Desasters gibt sich Siegfried Dillersberger. Der Ex-FP-Politiker und Kufsteiner Bürgermeister saß im Aufsichtsrat der Bank und im Revisionsausschuss der Italien-Tochter.

Nicht sehr durchsetzungskräftig dürfte Stauder als Aufsichtsrat gewesen sein. Er habe, sagte er vor wenigen Wochen, bereits in den Vorjahren laufend eine Prüfung der Risikosituation verlangt. Diese Vorgaben seien aber vom damaligen Vorstand nicht umgesetzt bzw. seien Fragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet worden.

Noch tapfer im Aufsichtsrat hält sich Toni Ebner, seit 2005 Vize-Vorsitzender. Dessen Qualifikation: Chefredakteur der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten . Bei seinem Aufsichtsrats-Kollegen Jürgen Bodenseer (seit 2010), umtriebiger Chef der Wirtschaftskammer Tirol und Freund des Immo-Großinvestors René Benko, dürfte es sich auch nicht gerade um einen ausgewiesenen Bankexperten handeln.

Das Land muss seiner Bank jetzt ein zweites Mal unter die Arme greifen. Schon 2009 erhielt die Hypo nach hohen Abschreibungen 52 Millionen Euro Partizipationskapital, Hauptzeichner waren vermutlich der landeseigene Energieversorger Tiwag und die Tiroler Versicherung. Jetzt wird mit frischem Kapital von 230 Millionen Euro die Kernkapitalquote der Hypo auf neun Prozent erhöht.

Bis 2017 wird auf die künftigen Dividenden der Tiwag vor gegriffen. Schwarz, Rot, Grün und Blau haben im Landtag zugestimmt. Um auf die 230 Millionen Euro zu kommen, muss die Tiwag freilich auch noch Gewinnrückstellungen auflösen.

Die kreative Finanzierungsidee dürfte politischer Verzweiflung entsprungen sein. Für das klamme Budget des Landes ist diese Größenordnung keine Kleinigkeit. 2012 sind 42,7 Millionen Euro Defizit und 388 Millionen Gesamtverschuldung veranschlagt. Ende 2010 haftete das Land mit beträchtlichen 7,95 Milliarden Euro für die Hypo. Schulden und Haftungen pro Einwohner gerechnet, liegt Tirol laut Mair nur knapp hinter dem Spitzenreiter Kärnten.

Einer wenigstens zeigt Haltung. Der SP-Abgeordnete Klaus Gasteiger tritt als Tiwag-Aufsichtsrat zurück. Er beruft sich auf das Aktiengesetz und hält den Deal Hypo-Tiwag mit der „Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit“ des Aufsichtsrates für nicht vereinbar.

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