Die ehrenwerte Firma
Wie kauft man Politiker, ohne intern auffällig zu werden?
Wie verteilt ein börsenotierter Konzern Schmiergelder, ohne Spuren im Rechnungswesen zu hinterlassen? Wie kauft man Politiker, ohne intern auffällig zu werden? Indem ein verschworener, skrupelloser Klüngel Parallel-Strukturen aufzieht. Eine Firma in der Firma quasi.
In der Telekom Austria (TA) wurde dieses System perfektioniert. Im Zentrum stehen die Ex-Vorstände Rudolf Fischer und Gernot Schieszler, der sich der Justiz als Kronzeuge angeboten hat. Assistiert vom inzwischen schwer erkrankten Prokuristen Wolfgang F. Drehscheibe des Millionenkarussells war der Ex-Lobbyist Peter Hochegger mit seiner Zweitfirma Valora. Die Causa Telekom hat sich zu einem der größten Wirtschaftsstrafverfahren der jüngeren Vergangenheit ausgewachsen. Erste Anklagen wurden bereits erhoben.
Dem KURIER liegt nun der Revisionsbericht des Wirtschaftsprüfers Deloitte vor, von dem in der Öffentlichkeit bisher nur Auszüge bekannt wurden. Von Juli 2004 bis September 2008 erhielt die Valora 16 Aufträge über insgesamt 7,549 Millionen Euro. Detailliert dokumentierten Prüfer das System aus Scheinrechnungen, Rückdatierungen und Umgehungen der Unterschriftsordnung. Den Nachweis der Leistungen bzw. Aufzeichnungen darüber suchten die Deloitte-Leute meist vergebens. Trotzdem bewahrten sich die Prüfer Sinn für Humor – "Projekt Flieder" titelten sie die streng vertrauliche Studie. Deren brisanter Inhalt zu weiteren Anklagen führen wird.
Die Projekte im Detail:
Screening Telcos: 1,5 Millionen Euro Screening der ost- und südosteuropäischen Telekommärkte. „Auffällig“, dass bei einem Auftrag dieser Größenordnung Bestellung, Beauftragung, Rechnungslegung und -freigabe innerhalb eines Tages erfolgten und einen Tag später bereits bezahlt wurde („sehr ungewöhnlich“). Deloitte wurde eine Präsentation vorgelegt, „die nachweislich von Mitarbeitern der TA erstellt wurde“. Die Präsentation der Valora wurde nicht gefunden.
Private Equity Fonds Zypern: 205.000 Euro Auftrag für die Gründung eines Fonds für Beteiligungskapital samt Managementgesellschaft in Zypern. Das Projekt war in der TA offiziell nicht bekannt, die Zahlungen an die Valora sind „somit nicht nachvollziehbar“. Zufall? Hochegger hielt sich auf der Mittelmeerinsel die Briefkastenfirma Astropolis. Über diese wurden die BUWOG-Provisionen geschleust.
Preiskonsolidierung Tarife: 604.000 Euro Die Valora sollte eine Studie über „Volkswirtschaftliche Implikationen des Preisdumpings“ erstellen. Fazit: „Keine der befragten Personen hat die Studie jemals erhalten bzw. gesehen“.
Lobbying Übernahme Cluster 19: 300.000 Euro Beauftragt wurde für die Übernahme des Bundesrechenzentrums zu lobbyieren, das Projekt wurde in den Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen nie behandelt. Abbruch des Projekts und Kündigung des Auftrags. Hocheggers Tätigkeiten sind „weder dokumentiert noch nachvollziehbar“.
Geschäftsführerbestellung Cluster 19: 240.000 Euro Nachdem die Übernahme abgeblasen war, sollte die Bestellung des Geschäftsführers beeinflusst werden. Keine Unterlagen über die Tätigkeiten Hocheggers bzw. der Valora.
EU-Präsidentschaft: 400.000 Euro Auftragsgegenstand war die Positionierung der TA bei Ministerien, Behörden und Entscheidungsträgern anlässlich der EU-Präsidentschaft Österreichs. Wieder keine Unterlagen über die Leistungen.
Ausschreibungen IP-Telefonie, 1,094 Millionen Die Valora sollte die Ausschreibungen für Internet-Telefonie „durch Lobbying-Maßnahmen begleiten und beeinflussen“. Ein Auftrag über 614.000 Euro, ein zweiter über 480.000 Euro. Beide Male keine Unterlagen über die Leistungen.
Aon TV: 300.000 Euro Lobbying für die Positionierung der TA als Broadcast-Unternehmen. Keine Leistungs-Dokumentation.
Regierungslobbying: 450.000 Euro Auftrag war eine Potenzialanalyse über Chancen und Gefahren der TA sowie die Ministerkabinette der nach der Ära Schüssel II 2007 angelobten rot-schwarzen Koalition. Weder der vereinbarte Abschlussbericht noch die Potenzialanalyse wurden gefunden.
Digitales TV: 495.000 Euro Lobbying bei Medien und Meinungsträgern für digitales Fernsehen in den Landeshauptstädten. Keine Unterlagen über die Leistungserbringung.
Akquisition eTel: 696.000 Euro Hochegger sollte sicherstellen, dass die TA die Telekom-Firma eTel Group „zu einem möglichst geringen Preis erhält“. Der Deal klappte für 93 Millionen Euro. Laut eMails lobbyierte Hochegger, Unterlagen über Leistungen darüber hinaus fanden sich nicht.
Verkauf von eTel Polen und Ungarn: 400.000 Euro Deloitte bewertet das Honorar von 7,9 bzw. 15,8 Prozent des Verkaufspreises als „nicht marktüblich“.
Lobbying Beamtenagentur: 880.000 Euro Die Gewerkschaft hatte im Mai 2008 die Errichtung einer solchen Personalagentur abgedreht, „es konnte nicht eruiert werden, warum die Valora im Juli 2008 dennoch mit Lobbying-Aktivitäten beauftragt wurde“. Wegen mangelnder Informationen zur Leistungserbringung konnte die Angemessenheit des Honorars für einen Leistungszeitraum von zwei Monaten „nicht beurteilt werden“.
Beeinflussung Geschäftsführerauswahl ISPA: 250.000 Euro Vermutlich sollte die Bestellung des Generalsekretärs im Verband der Internet Service Provider beeinflusst werden. Aktivitäten der Valora konnten „nicht eruiert werden“.
Die Stellungnahmen der Betroffenen gegenüber dem KURIER sind dürftig. Hochegger weilt derzeit im Ausland: „Den Deloitte-Bericht kenne ich nicht, kann daher auch nichts dazu sagen“. Schieszlers Anwalt meint, sein Klient hätte „ohnehin alles umfassend ausgesagt“, Fischers Anwalt war nicht erreichbar. Die Telekom, die sich über ihre Skandal-Vergangenheit lieber bedeckt hält, hat bis dato als Privatbeteiligte bei allen laufenden Strafverfahren Rückforderungen von rund 30 Millionen Euro angemeldet.
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