Plastiksackerl statt Geldkoffer
Damals legten die Herren noch Wert auf Stil. Der Vorarlberger Unternehmer Bela Rabelbauer erscheint nächtens im Parlament und übergibt dem oppositionellen VP-Chef Alois Mock in einem schwarzen Aktenkoffer mehrere Millionen Schilling. Die Sache fliegt auf, die Partei zahlt das Geld zurück und Rabelbauer bringt es als „Mann mit dem Koffer“ zu zweifelhafter Berühmtheit.
Lang ist’s her. Die Korruption im Land blüht nach wie vor, doch die Herren (und Damen) geben es mittlerweile beim Transport von Geldern, mit denen sie lieber nicht in Zusammenhang gebracht werden wollen, wesentlich billiger. Kostet doch der bescheidenste Aktenkoffer von Louis Vuitton auch schon 1040 Euro. Für das Modell „Indra“ – aus Kalbsleder, das Elefantenhaut ähneln soll – sind immerhin 2370 Euro hinzublättern.
Also nix mehr mit Designer-Köfferchen, das Plastiksackerl tut’s genauso. Und hat den unschätzbaren Vorteil der Unauffälligkeit. „Wer rennt heute noch mit teuren Koffern durch die Gegend? So ein Plastiksackerl fällt doch viel weniger auf“, beobachtet man in Ermittlerkreisen „einen starken Trend zum Sackerl“.
Das dachten sich offenbar auch jene Manager der Telekom Austria, die in den im Vorjahr aufgeflogenen Skandal um Kursmanipulationen verwickelt sind. Die Ex-Vorstände Gernot Schieszler und Rudolf Fischer gestanden, dass der Gründer des kleinen Wiener Wertpapierhandelshauses Euro Invest, Johann Wanovits, damit beauftragt wurde, den Telekom-Kurs hinaufzutreiben. Womit sich über das Management ein Boni-Regen von mehr als neun Millionen Euro ergoss. Schwierig war nur, Wanovits die versprochene „Risikoprämie“ von einer Million Euro ohne Spuren in der Buchhaltung zukommen zu lassen. Die Lösung: Bargeld, in Kuverts und im Plastiksackerl. Verrechnet dürfte man über den ehemals dick mit der Telekom im Geschäft befindlichen Ex-Lobbyisten Peter Hochegger haben.
Nicht nur Telekom-Manager schlichen mit kleinen Vermögen im Sackerl durch Wien. Auch bei der Banknotendruckerei OeBS war man mit dem kostengünstigen Transportmittel unterwegs. Die Justiz ermittelt gegen das inzwischen gefeuerte Management der Nationalbank-Tochter wegen vermutlich als Provisionen getarnter Schmiergelder für Aufträge in Aserbeidschan und Syrien. Mehr als 14 Millionen Euro flossen über die panamesische Briefkastenfirma Venkoy. Ausgezahlt an die Provisionäre, deren Identität die Staatsanwaltschaft derzeit zu klären versucht, wurde freilich in bar. Die Vertriebsmanagerin der OeBS soll das Geld nicht nur in Koffern, sondern auch in Plastiksackerln herumgetragen und verteilt haben.
„Plastiksackerl-Affäre“
Als „Plastiksackerl-Affäre“ ging der Prozess gegen den ehemaligen Bawag-Chef Helmut Elsner und Ex-Konsum-Boss Hermann Gerharter in die jüngere Justiz-Geschichte ein. Elsner hatte Gerharter 561.000 Euro der Bank zur Bestreitung offener Prozesskosten und Gerichtsgebühren geschenkt, beide sind deswegen rechtskräftig verurteilt worden. Gerharter beteuerte allerdings im Bawag-Prozess, es habe sich gar nicht um ein Plastiksackerl gehandelt sondern um eine Plastiktasche. Könnte sogar stimmen. Gut möglich, dass der stets auf edelste Accessoires bedachte Bawag-Chef tatsächlich nie so was Profanes wie ein Plastiksackerl in seinem feudalen Büro herumliegen hatte.
Auch ein hochrangiger Sportfunktionär fand das Plastiksackerl offensichtlich recht praktisch. Im Skandal um das Österreichische Olympische Komittee wurden nicht nur ein geheimes Konto und vier Millionen Euro Schwarzgeld ruchbar. Sondern auch, dass ÖOC-Langzeitsekretär Heinz Jungwirth einen Arbeiter der Organisation immer wieder als Geldboten einspannte und, erraten, mit einem Plastiksackerl losschickte.
Eine starke Affinität zum Plastik dürfte der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gehabt haben. Wegbegleiter erzählten, dass Saif Gadaffi, Sohn des getöteten libyschen Diktators, immer vor Wahlkämpfen Plastiksackerln mit je 200.000 Dollar übergeben habe. Der verstorbene Großindustrielle Herbert Turnauer soll Haider fünf Millionen Schilling (363.364 Euro) im Plastiksackerl gebracht haben, was die FPÖ aber immer bestritt.
Der Publizist und ehemalige Wiener VP-Gemeinderat Franz Ferdinand Wolf ätzte kürzlich: „Schön langsam setzt sich das Plastiksackerl als Börserl der Wirtschaftselite durch.“ Die EU will den Plastiktragtaschen allerdings aus Umweltschutzgründen den Garaus machen. Irgendwie kleinlich, machen die Sackerln doch ohnehin nur 0,02 Prozent des Hausmülls aus. Dann werden auch die heimischen Geldtransporteure auf Jute umsteigen müssen. Denn oberstes Prinzip ist: Immer schön unauffällig bleiben.
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