Paul Achleitner: Angekommen im Zentrum der Macht

Wirtschaft von innen: Frauenpower in Brüssel
Am 31. Mai erklimmt der Österreicher den Gipfel seiner steilen Karriere und wird Aufsichtsrats-Chef der Deutschen Bank. Um Geld geht es ihm dabei nicht, davon hat er schon genug.
Andrea Hodoschek

Andrea Hodoschek

Es gibt Herausforderungen, denen kann ein Mann wie Paul Achleitner, 55, nicht widerstehen. Die Deutsche Bank ist mit 2164 Milliarden Euro Bilanzsumme, 4,3 Milliarden Gewinn und 101.000 Mitarbeitern viel mehr als nur Deutschlands größtes Geldhaus. Sie ist einer der einflussreichsten Finanzkonzerne Europas und maßgeblich für die Stabilität des weltweiten Bankensystems. Als Chef des Aufsichtsrates ist man mit internationalen Wirtschaftsgrößen und Regierungschefs auf Augenhöhe.

Der scheidende Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann, der unbedingt an die Spitze des Aufsichtsrats wollte, aber wenig öffentliche Sympathie genießt, hatte das Handtuch geworfen. Klar, dass Achleitner Ja sagte, als der entscheidende Anruf des noch amtierenden Aufsichtsratspräsidenten Clemens Börsig kam. Dass dies nicht der Job eines Frühstücksdirektors wird, der hin und wieder Kanzlerin Angela Merkel seine Aufwartung machen darf, ist auch klar.

Der gebürtige Linzer soll die Bank aus den Schlagzeilen bringen. Denn Ackermann hinterlässt keine so großartige Bilanz, wie er vermutlich selbst glaubt. Die Spitzenmanager des Hauses liefern sich unter den beiden designierten Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen mörderische Grabenkämpfe um Macht und Einfluss. Der Investmentbanker Jain will seine Vergangenheit als abgebrühter Zocker vergessen machen. Fitschen will nicht als Beiwagerl überfahren werden. Die Politik sorgt sich. Achleitner muss die internen Fehden schleunigst befrieden und als Außenminister die Fäden zur Politik ziehen. Die Chancen stehen gut. Schon aufgrund seiner Persönlichkeit. Geschäftspartner beschreiben ihn als „unprätentiös, jovial und geradlinig“. Ein hervorragender Kommunikator sei er, der selbst bei noch so hitzigen Auseinandersetzungen die erregten Gemüter zur Räson bringen könne. Seine fachlichen Qualitäten sind unbestritten.

Der Sohn eines kleinen Angestellten der Linzer Oberbank studierte in St. Gallen. Als der Vater früh verstarb, beschloss die Familie, der Junior solle das teure Studium fortsetzen. Relativ rasch kam er zu Goldman Sachs und lernte dort das Investmentbanking. Als Deutschland-Chef brachte er sich als Berater bei der Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft ins Spiel. Seit 2000 ist er Finanzvorstand des deutschen Versicherungsriesen Allianz. „Er vereint österreichische Wesensmerkmale mit knallhartem deutschen Managementstil“, beschreibt ihn Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Der darf sich zum oberösterreichischen Freundeskreis zählen. Ebenso wie OMV-Boss Gerhard Roiss und Dionys Lehner , Chef der Linz Textil. Wolfram Littich , Statthalter der Allianz in Österreich, attestiert seinem ehemaligen Aufsichtsratschef: „Einer der besten Manager, die Österreich jemals hervorgebracht hat.“ Bei der Allianz managte Achleitner ein Portfolio von 450 Milliarden Euro und lieferte zwei Drittel des Konzerngewinns.

So viel Licht und kein Schatten?

Paul Achleitner: Angekommen im Zentrum der Macht

Neben allen Erfolgen hängt ihm bis heute das Desaster mit der Dresdner Bank nach. Kritiker schimpften ihn „größter Kapitalvernichter aller Zeiten“. Die Allianz übernahm die Dresdner 2001, Banken galten als sicheres Geschäft, und verkaufte sie 2008 an die Commerzbank weiter. Unterm Strich versenkte die Allianz beim Dresdner-Abenteuer 14 Milliarden Euro. Politisch gilt Achleitner als wertkonservativ. Manager seines Kalibers meiden Parteipunzierungen und halten sich den Rücken offen. Bei Merkel und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, geht er ein und aus, sein Rat ist gefragt.

In der Regierungskommission für den Corporate Governance Kodex engagierte er sich für die Verbesserung der Kultur in deutschen Konzernen. Bei den Diskussionen über den Euro-Rettungsschirm lieferte er wertvollen Input. Kurz in die Medien geriet seine Freundschaft zum ehemaligen Außenminister Joschka Fischer. 2004 lud er den grünen Politiker, Taufpate eines der drei Achleitner-Söhne, zum Osterurlaub in seine Villa in Mallorca.

In Österreich konnte Achleitner gut mit Ex-VP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. 2000 bat ihn der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG. Bei seinem Abschied aus der ÖIAG hängte ihm Schüssel 2004 das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik um: Achleitner habe den „Paradigmenwechsel in der österreichischen Wirtschaftspolitik“ entscheidend beeinflusst.

Während Achleitners Amtszeit in Wien wurden voestalpine, Böhler Uddeholm, Austria Tabak und das Dorotheum privatisiert. Achleitner war allerdings auch mit dabei, als der SP-Manager Rudolf Streicher als ÖIAG-Chef gegangen und der Oberösterreicher Peter Michaelis mit großzügigen Konditionen zum umstrittenen Nachfolger bestellt wurde. Geld spielt für Achleitner offenbar keine Rolle mehr, sonst wäre er bei der Allianz geblieben. Dort verdiente er im Vorjahr samt Boni 2,78 Millionen Euro, 2010 waren es mehr als vier Millionen. Bei der Deutschen Bank muss er sich mit weniger als 300.000 Euro bescheiden. Wird kein Problem sein, der Mann rangiert mit einem geschätzten Vermögen von 200 Millionen Euro unter den 500 reichsten Deutschen. Das große Geld machte er 1999 als einer von 221 Partnern beim Börsegang von Goldman Sachs.

Auftritte in der deutschen Schickeria sind ihm und seiner Frau Ann-Kristin ein Gräuel. Die beiden sind das Paradebeispiel eines Power-Couples. Die frühere McKinsey-Beraterin lehrt an der Technischen Universität München Unternehmensgründung und -finanzierung. Gemeinsam kontrolliert das Duo demnächst jeden vierten Konzern im deutschen Leitindex DAX. Er sitzt schon im Aufsichtsrat von Bayer, Daimler und RWE, sie bei Linde und Metro. Ann-Kristin brauchte Paul als Karriere-Turbo nicht. So war sie längst bei den Gipfeltreffen von Wirtschaft und Politik in Davos etabliert, bevor er dort erstmals eine Bühne bekam. Mit Achleitner zieht übrigens auch Siemens-General Peter Löscher , ein Kärntner, in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank ein. Und der Tiroler Stephan Leitner steigt zum Vorstand auf. Deswegen von einer Verösterreicherung des Finanzriesen zu sprechen, wäre allerdings leicht übertrieben.

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