ÖBB: Charmeoffensive gegen Politblockade
Die ÖBB waren immer ein Zankapfel zwischen Rot und Schwarz. Seit dem Sparpaket aber sind die Weichen auf oberster politischer Ebene direkt ins Abseits gestellt. Vermutlich für den Rest dieser Legislaturperiode. Zu tief sind die Gräben zwischen der ÖVP-Spitze und Infrastrukturministerin Doris Bures . Dass es um das wichtigste Verkehrsunternehmen des Landes mit knapp 41.000 Mitarbeitern geht, spielt keine Rolle. Parteipolitik hat in Österreich immer noch Vorrang.
Weshalb ÖBB-Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker und Bahn-Chef Christian Kern versuchen, die Notbremse zu ziehen. Die beiden SP-Manager starteten dieser Tage eine Tour bei den ÖVP-Granden. Erste Adresse war VP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger.
Pöchhacker deckt mehr die politische Flanke ab. Kern, der sich als Bahn-Boss erstaunlich resistent gegen Parteien-Einflussnahme erweist, versucht, mit wirtschaftlichen Argumenten um Sympathien für das Großunternehmen zu werben. Besuch bekamen auch VP-Finanzministerin Maria Fekter sowie VP-Verkehrssprecher und Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein . Am Freitag klopfte Kern dann beim schwarzen Klubobmann Karlheinz Kopf an. Bevor es zur Sache ging, parlierte man zum Aufwärmen über die gemeinsame Leidenschaft Fußball.
Beim freundlichen Reden soll’s nicht bleiben. Pöchhacker&Kern boten der ÖVP an, einen unabhängigen Expertenrat mit Fachleuten ihres Vertrauens zu beschicken. Gemeinsam soll ein Gesamtkonzept entworfen werden: Wie stehen die ÖBB im internationalen Vergleich da, wo sind die Defizite und was ist zu tun.
15 Bahn- und Wirtschaftsexperten hat die ÖVP aufgestellt. Darunter Eisenbahn-Kapazunder wie Klaus Riessberger , ehemaliger Professor der TU Graz. Günther Gfatter , Aufsichtsrat bei Knorr-Bremse, kennt die ÖBB als Ex-Aufsichtsrat der Infrastruktur-Tochter auch von innen. Mit dabei Sebastian Kummer , Verkehrsexperte an der WU Wien, Roman Stiftner , Präsident der Bundesvereinigung Logistik und Erik Wolf von der Sparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer.
Jetzt sollte die Truppe rasch zu arbeiten beginnen. Denn Bures ist für die ÖVP zur Unperson geworden. Die Schwarzen fürchten ernsthaft, dass die Frau Minister die Bahn gegen die Wand fährt. Zwar hatte es im Vorjahr kurz ausgesehen, als ob die politische Eiszeit zu Ende wäre. Bures bot dem Koalitionspartner an, wieder Experten für den Aufsichtsrat der ÖBB-Holding zu nominieren. Nur, bis heute folgte kein konkretes Gespräch.
„Frau Bures sorgt dafür, dass wir aus der Eiszeit nicht herausgekommen sind, obwohl sich einige Leute in ihrem Umfeld sehr bemühen. Bisher haben wir nur Ankündigungen bekommen und kein einziges Gespräch“, ist aus dem Umfeld von Spindelegger zu hören.
Bures wundert sich. Sie spricht stattdessen von „guter, professioneller Zusammenarbeit“. Mit Finanzkollegin Fekter stimme sie sich eng ab, berichte laufend über die ÖBB an den Ministerrat und habe selbst bei operativen Themen „immer wieder den Kontakt mit der ÖVP gesucht“. Warum sie dann von dort so scharf kritisiert wird? „Ich habe keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.“
Tatsächlich ist die Liste der Konflikte lang. Die VP bezweifelt das Einsparungsvolumen von 525 Millionen durch den Stopp der Frühpensionen. Bei den großen Tunnelprojekten würden die Kosten nicht gesenkt, sondern nur hinausgeschoben. Viel Kritik gibt es am Bures-Projekt der teuren, neuen Eisenbahnkreuzungsverordnung (Sicherung von Eisenbahnkreuzungen). Kritische und aufmüpfige Spitzenbeamte im Ministerium würden ruhiggestellt bzw. abserviert. So zuletzt geschehen mit dem Chef des Verkehrsarbeitsinspektorats, Reinhart Kuntner , der samt Abteilung ins Sozialministerium übersiedelt wird.
Offenbar kann der Koalitionspartner mit Kern wesentlich besser als mit dessen Chefin Bures. Sie sollen Ängste plagen, dass ihr Kern – erfolgshungrig und mit starkem Zug aufs Tor – den Ministersessel streitig machen könnte. Stellt sich die Frage, ob hier bloß von außen das Spielchen „good guy, bad girl“ inszeniert wird, oder ob das Verhältnis wirklich kriselt. Kern beteuert: „Wir stimmen uns in allen strategischen Fragen eng ab. Ohne die Unterstützung der Ministerin wären die ÖBB keinen Tag sinnvoll zu führen. “
Am Montag tagt der Aufsichtsrat der ÖBB-Holding, das oberste Kontrollgremium des Konzerns. Ursprünglich hätte die Bestellung der engen Kern-Mitarbeiterin und Kommunikationschefin Kristin Hanusch-Linser zur Aufsichtsrätin der operativen Tochter Personenverkehr AG auf der Tagesordnung stehen sollen. Ist aber nicht der Fall. Weil, heißt es hinter den Kulissen, die Ministerin, die ständig öffentlich betont, wie sehr ihr die Förderung von Frauen am Herzen liege, blockiere. Wie im Vorjahr, als Kern neben Hanusch-Linser deren Managerkolleginnen Brigitte Schüßler (Einkaufsleiterin, vorher in dieser Funktion bei der Telekom) und die Chefin der Rechtsabteilung, Katharina Günther , in operative Aufsichtsräte setzen wollte.
Alle drei Managerinnen waren auf ihre fachlichen Qualitäten vom Headhunter Zehnder gescreent und für geeignet befunden worden. Hanusch-Linser hat obendrein eine zusätzliche Ausbildung bei Zukunft.Frauen absolviert. Dieses von Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung initiierte Führungskräfteprogramm hat laut Eigendefinition das Ziel, „mehr Frauen in Management- und Aufsichtsratspositionen zu etablieren“ und richtet sich „an Frauen in Führungspositionen, die auf dem Weg in Topmanagement, Vorstand und Aufsichtsrat sind“. Eine Datenbank für Aufsichtsrätinnen ist angeschlossen.
Er sei ohnehin Aufsichtsratschef beim Personenverkehr, „es liegt mir fern, politische Irritationen, nach welcher Seite auch immer, zu provozieren“, argumentiert Kern, warum er das Thema nicht auf die Tagesordnung setzte. Bures findet den Vorwurf, sie lasse ÖBB-Managerinnen nicht in die Aufsichtsräte, „einfach absurd“. Und verweist auf die Aufsichtsrätinnen bei Asfinag, der Schifffahrtsgesellschaft Via Donau und der Austro Control. Außerdem habe sie die frühere EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell in den Aufsichtsrat der ÖBB-Holding geholt.
Fazit: Wer auch immer in diesem Fall die Regie führt, wenn die Politik nicht will, hilft Frauen selbst die beste Qualifikation nichts.
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