wien mitte: Salzburg

wien mitte: Salzburg
"Es gibt diesen Trick, sich Wien zu vergrößern - man fährt kurz nach Salzburg."

Es gibt diesen Trick, sich Wien zu vergrößern - man fährt kurz nach Salzburg. Ich habe ja meistens Glück in Salzburg, bin bei lieben Menschen zu Gast, wie eben grad beim Jazzherbst oder sonst in der ARGEkultur, wo Österreichs netteste Veranstalter sitzen. Aber diesmal war da so ein Zeitfenster vor der Hacke. Während Harmonikameister Soyka mit seiner Liebsten auf den Mönchsberg stieg und das Gefühl dort oben, dann als "befreiend und schön" schilderte, trafen meine Liebste und ich deutsche Freunde, die auch zufällig in Salzburg waren. Mit denen gingen wir ein bisschen herumwidibum in der Altstadt, und schon waren wir in dieser leicht bis mittelschwer gespenstischen Parallelwelt, Getreidegasse und Co. mit diesen Auslagen, wo im Schwarz des herbstlichen Abends Walkjopperln unter den Halogenspots lächeln, wo der Schnee in den Schneekugeln auf güldene Amadei rieselt, wo man eingeschüchtert hinaufschaut an den Häusern mit ihren dicken, irgendwie warzigen Mauern und kleinen Fenstern und trotzigen Türen.

Wir gehen mit den deutschen Freunden ins Wirtshaus. Wir sehen einerseits Schaumrollen und Hirschhörner, also die Herrinnen und Herren der Stadt, erstarrt in ihrer Sixties-Karajan-Mondänität, sehen andererseits aber auch nette Jüngere, die wirken wie überall sonst auf der Welt. Wir wandern schließlich über den klammen Domplatz, und ich denke ans 76er-Jahr, als ich mit der Frau Mutter hier Jedermann schauen war. Mir fällt auf, dass ich mir nichts davon gemerkt hatte, nicht einmal das Gesicht von Curd Jürgens, nur das Geplärre des Todes vom Turm. Als wir nach vollbrachtem Konzert wieder Richtung Osten rollen, rätseln wir, was das Seltsame an Salzburg ist. Aus den Lautsprechern dringt die Stimme des von mir hochgeschätzten Bluesman Hans Theessink. Der hat grad zum Thema "Jedermann remixed" eine geniale Platte veröffentlicht, lauter uralte Songs über Leben, Liebe, Geld und Tod. Er hat Salzburg überlistet, in dem er sagt: Euer Jedermann ist so simpel wie der Blues, ihr dürft euch entspannen. Es gibt übrigens auch den Trick, sich Wien zu verkleinern - man fährt kurz nach Paris.

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