wien mitte: Abschiedsparade
Wenn Sie das hier lesen, ist es schiach. Nicht nur orf.at, für eine kleine Panikmache immer gut, sondern auch die Propheten meines Vertrauens auf der Hohen Warte sprechen in seltener Einhelligkeit und düsterer Apodiktik von einer Kaltfront, die uns wohl endgültig vom Altweibersommer abnabeln dürfte. Wenn Sie das lesen, sind wir längst mittendrin im Schiachen. Ich darf Ihnen drei letzte Perlen aus meiner vielteiligen Altweibersommer-Verabschiedungsparade darreichen. Die Liebste, die Kinder und ich waren erstens in Podersdorf, wo uns die Kürbisse und die Gesichter in den pannonischen Wirtshäusern anlächelten. Der Zweitgeborene und ich wateten zu dieser gewissen kleinen Schilfinsel, vis-à-vis vom Dorfstrand, und dann gingen wir ganz ins Wasser. Das bedeutet, sich auf den Hintern zu setzen, anders bedeckt einen der Neusiedler See nicht bis zum Hals. Es schien die Sonne, die Liebste machte ein Foto, und wir waren glücklich. Wir waren zweitens in Kritzendorf, eine Woche später. Da herrschte bereits Oktober, und wir gingen über den zu dieser Zeit endlos breiten Kiesstrand hinunter zum Fluss. Die Sonne schien wieder, und sie schien warm. Und die Donau, gerade hier so oft eine flutende Bestie, sie war ein ganz kleiner, niedriger, zarter Fluss, gerade noch imstande, die Donaukreuzfahrtsdampfer durchzulassen. Die Liebste und ich stellten fest, dass wir von zahlreichen jungen Eltern umgeben waren, mit Babys und Kleinstkindern. Angespannte Mütter mit Augenringen, müde Väter, bar jeder Spannkraft. Obergescheite Neo-Großmütter. Wir stellten fest, dass wir wenigstens das hinter uns haben und versenkten uns vor lauter Erleichterung im Fluss. Am ersten Oktober! Perfekter alter Sommer. Ein paar Tage drauf waren die Liebste und ich drittens noch auf der Cobenzlwiese, beschenkt von einem Zeitfenster zwischen Steuerberater und Kinderabholung. Das Herbstgras auf der Cobenzlwiese hatte schon diese trockene Sticheligkeit, die dem Winter vorausgeht. Aber die Sonne schien wieder. Milde Grillen, gelassene Vogerln. Wird es wirklich schiach? Natürlich gibt es Wunder. Und wenn orf.at und die Hohe Warte wider Erwarten irren sollten, erzähle ich Ihnen weiter solche Geschichten, bis es Ihnen bei den Ohren rauskommt.ernst.molden(at)kurier.at
Kommentare