Swing und Sage

Ernst Molden

Ernst Molden

Ich will meine Liebste missionieren.

von Ernst Molden

Prolog für Sagen

Kleine Sommerserie, der Prolog. Es gibt kulturelle Zonen, auf denen ich meiner Liebsten nicht oder wenigstens nicht für lange begegnen kann. Nehmen wir den Swing, die Frühform des Jazz. Der Swing gehört definitiv zu den Musiken, die mich innerlich nähren, seit Jahrzehnten. Im Speziellen der Swing Manouche, die Musik des genialen Django Reinhardt. Ich habe sogar selbst in einem Gipsy-Swing-Trio mitgespielt. Ich hatte die Rolle des Rhythmusknechts inne, der den sogenannten Dubtschek spielen musste, das eiserne Zwei-Viertel-Rhythmusfundament. Aber egal, ob ich Platten auflegte oder meine Gitarre packte, um den Dubtschek zu üben, die Liebste kriegte (und kriegt) ein müdes Gesicht, sie sagte (und sagt) mit gedehnten Vokalen: „Eeeecht? Swiiiiing?“, und schon höre ich auf. Mit Sagen ist es ähnlich: Während ich die alten Legenden in ihrer vagen Mischung aus wahrem Kern und jahrhundertelangem Drüber-Gelabere zutiefst inspirierend finde, erfüllen sie meine Liebste mit Fadesse. Aber anders, als beim Swing, gebe ich hier nicht auf. Ich will meine Liebste missionieren, überzeugen, bis ins Mark begeistern! Nicht nur, weil ich demnächst mit einem von mir hochgeschätzten Kollegen ein Sagen-Song-Projekt beginne, nein, auch weil ich Sagen tatsächlich echt total leiwand finde: Teufel, die in den unglaublichsten Verkleidungen und Inkarnationen allen und jedem erscheinen können, um sie oder ihn mit mannigfaltigen Ködern zum Verschreiben der Seele zu bewegen! Hartherzige Herrscher, die vom Schicksal bestraft werden! Wundersame Errettungen Geknechteter, Entrechteter, Beraubter oder zu Unrecht Verurteilter! Überhaupt all die Mirakel, Menetekel und bis zum Surrealen rätselhaften Mysterien am Wegesrand! Ich glaube ja, dass es der Ton der Sagenbücher ist, diese etwas staubige und muffige Diktion der Privatgelehrten und Volkskundler, die die Liebste nervt. Deshalb die heurige kleine Sommerserie (deren Prolog Sie hiemit gelesen haben). Ich will ein paar Wiener Lieblingssagen so erzählen, dass mein Schatz sie prickelnd findet. Und Sie, Sie lesen einfach mit. Im Herbst verrate ich, ob das Experiment gelungen ist oder nicht.

ernst.molden@kurier.at

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