Schlechtwetterprogramm

Ernst Molden

Ernst Molden

Schließlich verwarf ich den Plan A, nämlich in den schönen grünen Wald zu wandern, wegen Undurchführbarkeit.

von Ernst Molden

Über Schelchtwetter

Fronleichnam war es schiach wie nur. Wir harrten eine Zeit lang aus, betrachteten mitleidig die nasse Prozession auf der Landstraßer Haupt und räumten auf. Schließlich verwarf ich den Plan A, nämlich in den schönen grünen Wald zu wandern, wegen Undurchführbarkeit. Stattdessen wurde Plan B aktiviert: Kultur für alle. Das bedeutet bei uns ein Besuch im Wien Museum. Wieder einmal schafften wir es erst knapp vor Torschluss, diesmal in die „Wiener Typen“-Schau. Diese versammelt das Pandämonium der urbanen Folklore aus dem 19. Jh.: Öbstlerinnen, Wäschermädln, Gigerln, Maronimänner und Lavendelweiber, Bandlkramer, Zahlkellner undundund.

Während wir staunend mit vielen anderen Menschen die Ausstellung durchschritten, lauschten wir in so Audio-Kasteln, die uns mit Zusatz-Informationen versorgten, wir hörten die Rufe der Lavendelfrau, das Lied vom Lemonimann, aber auch einschlägige Berichte aus den zeitgenössischen Feuilletons. Diese wurde gelesen von Robert Reinagl, und als ich dies erkannte, ging an diesem grauen Fronleichnamstag doch noch die Sonne auf, Reinagls honiggleicher Stimme wegen, die tatsächlich in ihrem Sound 300 Jahre Wien bewusst macht. Den Burgschauspieler Robert Reinagl ehre ich hoch, wobei ich ihn als Mimen gar nicht so genau kenne. Reinagls und meine Fährten durch den Urwald der Stadt kreuzen sich aber öfter, privat und halbprivat, manchmal auf der Landstraße, manchmal auch beim Hengl-Haselbrunner, dem musikalischsten Heurigen Wiens.

Dort verfolgt der Schauspieler dann seinen eigenen Plan B: nämlich Wienerlieder singen, sei es in seinem famosen Duo „Die Mondscheinbrüder“, sei es allein zur Harmonika des Herrn Soyka und der Zither des Herrn Stirner. Kaum einer macht diese Singerei so schön wie er. Er singt mit Haut und Haar, er singt mit Leib, Seele und einer überlebensgroßen Glückseligkeit. Da kann man sitzen beim G’spritzten, über das Gesicht des singenden Robert Reinagl huschen alle Wiener Typen, die es jemals gab. Jüngst las ich von einer Burgtheater-„Wienerlied-Produktion“, an welcher Herr Reingal nicht teilnahm. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Gehen Sie zum Heurigen.

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