Wo ein Missverständnis in der Luft liegt, wird es genützt und zur vollen schädlichen Entfaltung gebracht.

von Ernst Molden

über den Kastanienbaum der hundert Pferde

Am Osthang des Ätna wächst der Castagno dei cento Cavalli, der „Kastanienbaum der hundert Pferde“. Er ist deutlich älter als das Christentum, sein Stamm hatte einst den Umfang von über 50 Metern, ehe er sich in drei Stämme zu heute 13, 20 und 21 Meter Umfang teilte. Die Sizilianer sagten früher, man könne hundert Pferde in diesem Baum verstecken, daher der Name.Wissen Sie was? Da möchte ich grad hin. Diesen November empfinden die Liebste und ich ja tendenziell als psycho, will sagen: Alle sind unsicher, leicht beleidigt, paranoid. Wo ein Missverständnis in der Luft liegt, wird es genützt und zur vollen schädlichen Entfaltung gebracht. Die Kinder sind wepsig, Bekannte verschlossen und niedergeschlagen. Über allem liegt der tödliche Schlaaz des Hochnebels. Was tut man da? Uns fünf verlangt es nach Maroni, als vitamin- und kohlehydratreiches Gegengift. Aber ach, wir finden keine gscheiten. Am besten war noch der erste Kauf, am Cobenzl. Die waren zwar noch ein bisserl hart, aber rein und unverdorben. Bei Wien-Mitte erstand ich dann ein Stanitzl mit sieben Stück, von denen drei gut, zwei mittel und zwei zum Speiben waren. Dann kauften wir uns selbst Sackerln. Die ersten ließen wir zu lange liegen, sprich, sie wurden hart und kieselsteinig. Die zweiten waren im Inneren höchst schmackhaft, aber quasi unschälbar, was die ganze Familie dazu zwang, große Teile des pelzigen Innenhauterls mitzuessen und nach einer Weile in verschiedenen Stadien des Ungustiösen wieder auszuspucken.Und plötzlich entdecke ich dieses Gemälde von Jean-Pierre Houël: Kastanienbaum der hundert Pferde. Seitdem will ich da hin, nach Sant'Alfio auf Sizilien. Ich will Maroni von einem 4.000 Jahre alten Baum essen, über mir ein klarer, blassblauer Vorwinterhimmel. Meine Lieben sitzen bei mir auf einem sizilianischen Bankerl, rundherum wandeln alle unsere Bekannten, vom Novemberpsycho geheilt, durch die bukolische Landschaft.Halb vier, und die Kleinen kommen aus der Volksschule. Hamma noch Maroni zur Jause?, fragt die Drittgeborene mit ihrem umwerfendsten Lächeln. Ich seufze, dann aber lächle ich zurück.

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