Modewechesel

Ernst Molden

Ernst Molden

So richtig warm ist es immer noch nicht. Aber ich kann kein Flanellhemd mehr sehen.

von Ernst Molden

über Sommermode.

Nach dem multimorbiden Gefühl, dass man widerstandskrafttechnisch den Spätwinter nicht mehr übersteht, kommt nun das machtlose Gefühl, dem Frühling nicht gewachsen zu sein. Der Zustand ist so, als könnte Noah die Spitze des Berges Ararat erkennen, stürzte aber bei der letzten Meerschweinchenfütterung über Bord ins Ertrinken. Außerdem: So richtig warm ist es immer noch nicht. Aber ich kann kein Flanellhemd mehr sehen. Noch im Jänner betrachtete ich mich im Spiegel in der ganzen Vielfalt meiner Flanellhemden und erfreute mich an dem Gedanken, dass Neil Young eh auch ein ästhetisches Modell für die zweite Lebenshälfte sein kann. Doch jetzt? Der Geist schreit nach Ruderleiberln, aber das Fleisch friert unverdrossen vor sich hin. Bei den Konzerten der letzten Wochen betrachtete ich die jüngere Kollegenschaft, suchend nach Inspiration und Orientierung: Der Nino aus Wien etwa macht ästhetisch alles richtig, weil er stets dasselbe tut. Er trägt eine relativ dünne, eng anliegende Lederjacke. Die ist winters einen Hauch zu dünn und sommers ein bisschen gar warm, erspart dem Nino aber jeden Umstieg und potenziert damit seine Souveränität. Der Blonde Engel aus Linz wiederum – der einzige lustige Musiker, den ich aushalte, seit ich Fredl Fesl im blaugelben Wunschkonzert aufgenommen habe –, dieser Mann, der im breiten Linzer Slang sowie im Bassbariton äußerst komische, surreale Lieder singt, macht auch nichts falsch. Er wird nämlich selbst zu seiner Botschaft. Ebenfalls jahreszeitenunabhängig trägt er on stage stets Métallisée-Leggings, oben ist er ohne, hat aber zwei Engelsflügel umgeschnallt. Urleiwand, aber ich bin dafür zu alt. Am meisten gab mir allerdings letzte Woche das Styling meines Freundes Hubert Weinheimer, Sänger in der Band Das Trojanische Pferd. Er und ich spielten im Ost-Klub. Hubert trug zum Startschuss des Lenzes einen estragonsenfbraunen Schnürlsamtanzug, dazu eine Lederkrawatte und eine weinrote Gitarre. Voilà der Frühling vom 13er-Jahr. Hubert strahlte mich an und sang: „Ich bin ein selbstgerechtes Schwein!“ Ich liebe meine Freunde, und hübsch sind sie auch noch.

Kommentare