Hernals

wien MITTE: Weihnachtswunder
wien MITTE: Ernst Modeln über den siebzehnten Wiener Bezirk.

Als Döblinger, der in Erdberg gelandet ist, stelle ich so eine Art Hans im Glück der Wiener Bezirkswelt dar. Andere Distrikte, die ich nur peripher oder punktuell kenne, behalten etwas Mysteriöses für mich. Nehmen Sie Hernals: Dieser große, an die sanften Hänge des Wienerwaldes malerisch hingeklatschte Bezirk hat mich gleich zwei Mal im Leben massiv beschenkt. Einmal mit meiner Großmutter mütterlicherseits, ein weiteres Mal mit meiner Frau. Ja, die Liebste entstammt dem Siebzehnten. Nach dem Motto „You can take me out of Hernals, but you won’t take Hernals out of me“, merkt man ihr das nicht immer an. Wenn sie aber ihr Hernalsertum outet, dann hat das etwas Bedeutsames, denn meistens tut sie dies einem weiteren Hernalser gegenüber, und sofort liegt so eine suburbane Aristokratie über dem Gespräch, eine bezirksbedingte Geheimbündlerei. Unlängst durfte ich beim Akkordeonfestival spielen, wir fuhren also ins (Hernalser) Metropol und trafen dort den Akkordeonfestival-Intendanten P., der sich nicht nur als Hernalser herausstellte, sondern auch noch als Abgänger der Volksschule Wichtelgasse, wo auch die Liebste war. Mehr brauchte ich nicht: Der kühle Wind, der alle Außenstehenden trifft, wehte mich an. Der Hernalser reibt sich traditionell am Ottakringer. Die (Hernalser) Schauspielerin S. hat es mir so erklärt: Der Ottakringer spricht „Heanooeees“ auf verächtliche Weise aus, die zweite, betonte Silbe so, als hätte er Schleim im Rachen. Während der Heanoesa die erste, eigentlich geradezu auszurufende Silbe von „Ottakring“ dumpf erstickt, als würde es ihn genau in dem Moment würgen. Kurz: Rau mag es sein, im Westnordwest von Wien, aber auch schön. Was mir am besten gefällt, speziell, wenn ich aus Der Ottakringer spricht „Heanooeees“ auf verächtliche Weise aus, die zweite, betonte Silbe so, als hätte er Schleim im Rachen. „weiten“ Metropolen wie Berlin retourkomme, ist die Hernalser Haupt. Die Hernalser Haupt ist ein für Wien verrückt großer Boulevard. Der 43er hat auf seinen Trassen mehr Platz, als auf der ganzen Margaretenstraße zu finden ist. Ein Mal möchte ich zu Fuß diese Straße ganz allein hinaufgehen, vom Gürtel bis zum Göttlichen Heiland. Es wird Stunden dauern. Ich will alle Geschäfte sehen, alle Wirten, alles in mich hineingeben, um dem Menschen, den ich am meisten liebe, noch näher sein zu können.

ernst.molden(at)kurier.at

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