Läuse
Die Liebste, die Drittgeborene und ich waren von Pediculus humanus capitis befallen, der Kopflaus.
Wie immer am Eingang des Herbstes: ein letztes Detail aus den Sommerferien. Es war vor unserer großen Augustreise. Diese Reise führte uns weiter als jemals zuvor miteinander, ein Ozean trennte uns vom Ziel. Ein weiteres Meer von Vorbereitungen trennte uns noch von der Abreise, als ich in einem Akt von Eskapismus aufs Häusl ging und dort im damals aktuellen Falter die Kolumne der Kollegin Knecht las. – Die arme Knecht, rief ich nach meiner Rückkehr, die haben schon wieder Läuse. In meinem Ton schwang vielleicht die Spur zu viel joviales Mitleid mit, das aber rührte daher, dass wir bisher halt noch nie, nie, nie Läuse hatten, was bei acht Kindergarten- und sechs Schuljahren wie ein Mirakel klingt, aber stimmt. – Komisch, mich juckt’s auch, sagte nun die Liebste. Und, der Psycho schläft nicht, mich selbst juckte es noch im selben Moment. Sodann fiel uns beiden ein, dass vor Schulschluss im Umfeld der Drittgeborenen Läuse aufgetreten waren ... Ich sagte: Ujegerl.
Der nächste Tag. Ich kann schon wieder nur gutes aus Simmering berichten. Hier steht das Hygieneinstitut der Stadt Wien, das die Entlausungsstation beinhaltet. Ein Ort der Reinigung, der Läuterung, ja, der Katharsis. Die knochentrocken aber freundlich agierende Amtsärztin diagnostizierte unsere Buben als lausfrei. Der kalte Triumph, den sie uns entgegenschleudern, wird sich noch einmal rächen. Die Liebste, die Drittgeborene und ich hingegen waren von Pediculus humanus capitis befallen, der Kopflaus. Die Entlauser Wiens stellten sich als ziemlich coole Männer heraus. Der eine gab sich als Weltreisender zu erkennen, der Läuse schon in Fünfsternhotels und Premium-Fluglinien gesichtet hatte. Der andere, der mich behandelte, trug seine Unverwundbarkeit in Form einer spiegelnden Glatze zur Schau. Während sein Nissenkamm durch mein Haar fegte, läutete sein Handy mit der Titelmelodie von Django. In der Folge sprachen wir über Tarantino, während der Mann meine Läuse umnietete wie Christoph Waltz die Plantagenbesitzer. Am Ende zeigte er mir ein paar hässliche Leichen. Tja, dachte ich, euch hätten wir nach New Orleans exportiert, wenn die gute Kollegin Doris nicht gewesen wäre.
ernst.molden@kurier.at
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