Donaumädchen

Ernst Molden

Ernst Molden

Nach dem Ersaufen lebte er weiter, als Gemahl des Mädchens.

von Ernst Molden

über Sagen

Kleine Sommerserie, Teil 3: Was die Angler ja ungern zugeben: Dazwischen ist ihnen immer fad. Natürlich gibt es die guten Momente, die majestätische Ruhe in den Buchten am Strom, die man nicht als langweilig wahrnimmt. Dann die Augenblicke größter, atemloser Spannung, Momente der Entscheidung im Kampf Mensch versus Fisch. Und schließlich das müde Glück, eine zufriedene Mattigkeit am Ende des Fischertages. Aber der fesche Fritz konnte das eine vom anderen unterscheiden. Er wusste genau, wann ihm fad war. Beispielsweise jetzt. Der Fritz blickte nach Nordosten, wo die Stadt lag, hinter einem fetten grauen Balken aus Urwäldern und Dunst. Dort machte man den Fluss so schmutzig, wie er dann bei ihnen, bei den Fischern, ankam. Aber dort, das wusste der Fritz, da spielte auch die Musik, und dort floss der Wein. Dort war einem niemals fad. Die Leine hing am Boot, die faulige, alte Schweinsschwarte gut auf den Haken gespießt. Fritz kannte alle Plätze, wo richtig große Waller im Dreck auf dem Grunde lauerten, meterlang, klug und böse. Die Leine zuckte zwei Mal, und dann sah der Fritz eine Bewegung im Wasser, die auf das Boot zuhielt. Es tauchte ein Mädchenkopf auf. Fritz staunte und vergaß den Wein weiter stromaufwärts. Ihm war nicht mehr fad. Die Haare waren kastanienbraun mit einem grünlichen Stich. Einen Augenblick dachte der Fritz, dies musste die tote Margarethe sein, die im alten Jahr im Strom ersoffen war, denn ein lebendiger Mensch könnte an dieser Stelle keinesfalls auftauchen. Aber dieses Mädchen war nicht Margarethe. Es lebte und war außerdem viel schöner. – Magst zu mir ins Wasser gehen, fragte das Donaumädchen, ich bräuchert einen starken Mann. – Der Fritz wiegte seinen Kopf. Er ging an Land. Zuhaus warf er einen kleinen Karpfen auf den Tisch und fragte seine Mutter: Was wär, wenn ich zu einem grünen Weiberl in die Donau ginge? Dann würdest du dort verderben, sagte die Mutter. Anderntags ging der Fritz ins Wasser. Er verließ sein Boot in der Mitte des Stromes, und das grüne Weiberl nahm ihn gleich in Empfang. Aber der Fritz verdarb nicht. Nach dem Ersaufen lebte er weiter, als Gemahl des Mädchens, das gar keinen Fischschwanz hatte, wie so oft behauptet wird.

ernst.molden@kurier.at

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