Agnes und Karl

Ernst Molden

Ernst Molden

Wie er dem türkischen Oberst ein Schnippchen schlägt.

von Ernst Molden

über Sagen

Der Köhler sagte: Ich mag im Sieveringer Wald leben, aber ich bin trotzdem ein Wiener. Drum weiß ich, wie man den Säufern und Raufbolden auf der Gass’n begegnet. Man schaut weg und geht weiter. Mit den Feen und den Zwergen im Wald ist es nicht anders. Man schaut weg. Man geht weiter. Man lässt sich nicht ein. Man hat nur Scherereien.

Der Köhler sagte: Ich wusste natürlich, von wem das Kind war, das die Fee vor unserer Tür abgegeben hat. Vom schwedischen König. Der war damals im Wald verloren gegangen, und dann tauchte er wieder auf und fuhr nach Hause. Aber übers Jahr kam die Fee mit ihrer kleinen Agnes ausgerechnet zu uns. Was sollen wir denn tun mit der?, frag ich meine Frau. Wir haben doch schon unseren Buben, den Karl. Sagt die Frau: Ja, aber die Fee hat 20 Goldstücke dazuge­geben. – Wegschauen und weitergehen, sag ich. Aber: Keine Chance.

So sind die Jahre vergangen, sagte der Köhler. Die Agnes war eh ein gutes Kind. Aber unser Karl und sie sind natürlich nicht immer wie Geschwister geblieben. Das hat man sich an allen zehn Fingern ausrechnen können. Die sind ein Liebespaar geworden. Das hat mir schon Sorgen gemacht. Und plötzlich mischt die Fee sich bei uns ein. Bringt wieder einmal ihre 20 Goldstücke, und gibt auf einmal unserem Karl gute Ratschläge. Wie er sich wichtig macht bei Hofe. Wie er dem türkischen Oberst ein Schnippchen schlägt. Und auf einmal ist der Karl berühmt! Lebt in der Stadt mit der Agnes in einem Palais! Der Köhler sagte: Ich hab ein schlechtes Gefühl gehabt. Und hab ich recht gehabt oder nicht!? Wie unser Karl ein einziges Mal eine andere angeschaut hat, drin in der Stadt, nix Ernstes, kommt die Fee mit Gebrüll aus dem Wald und lässt das Palais mit dem Karl versinken. Ich bin doch kein Trottel, sag ich zu meiner Frau, ich hab doch gesagt: wegschauen und weitergehen. Die Kinder sind weg. Die Fee hat sich auch nimmer gezeigt. Und wenn das Wetter wärmer wird, ziehen wir hier fort. In die Kalte Kuchl, hinter dem Piestingtal. Ich hab genug von dieser Gegend. Es kommt nix Gutes aus diesem Döblinger Wald.

ernst.molden@kurier.at

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