Dixieland
So ein Mississippi muss erst einmal hinein in einen Menschen von hier.
Auf unserer großen Reise, die uns durchs Dixieland bis zu meinem Bruder nach New Orleans geführt hat, habe ich nichts geschrieben. Das ist einerseits verwunderlich, vier Wochen lang. Irgendwas schreibe ich immer auf Reisen. Wenigstens ein halbes Lied, oder irgendeinen Blödsinn, den ich dann zuhause mit Kopfschütteln in eine Lade sickern lasse. Aber diesmal: nix. Man kann es andererseits verstehen: So ein Mississippi muss erst einmal hinein in einen Menschen von hier, so ein Bayou, so eine Plantage, so eine Esplanade Avenue von New Orleans. Was soll da zur selben Zeit rauskommen?Irgendwann gingen wir in einen dortigen Drogeriemarkt, Dinge des täglichen Bedarfs kaufen. Da war es Mitte August und die Kinder von Louisiana mussten wieder in die Schule. So bot der Drogeriemarkt Schulartikel, nicht viel, aber das in konzentrierter Form. Und da sah ich es: Mein Mittelquartheft! Ich jubelte, und Ms. Georgia, die der Liebsten gerade die Ohrenstäbchen zeigte, sah stirnrunzelnd zu mir herüber. Aber bitte: ein Mittelquartheft! Das sterbende Format, das beste Format! Mittelquart war immer mein liebstes Heft gewesen, geschmeidig sich zwischen A 5 und A4 schmiegend, dabei aber breitschultrig und also beruhigend. Unsere damaligen Mittelquarthefte waren von einem satten Fastenzeit-Violett und trugen ein weißes, rot gerahmtes Etikett. Das Mittelquartheft von New Orleans war petrol-weiß marmoriert und hatte ein Etikett mit der Aufschrift „Composition Book“. Dieses Etikett allein war schiach, sodass ich nach dem Erwerb des Heftes eine alte Postkarte von den DeLeon Springs in Florida draufpickte. Schon war alles bereit.Dann fuhr dieses mein Heft mit mir herum. An den Lake Lafitte, dann den Mississippi hinauf. Es blieb leer. Einmal riss sich die Brut zwei Doppelseiten heraus, um Stadt-Land zu spielen. Manchmal starrte ich das Heft an, und überlegte mir, was reinkommen sollte. Das Heft war dabei, als wir über Mississippi und Alabama nach Florida fuhren. Es blieb leer. Es kam mit nach Erdberg, und liegt jetzt auf meinem Schreibtisch. Es ist immer noch leer. Aber trotzdem steht alles schon drin.
ernst.molden@kurier.at
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