Die Leopoldifalle

Ernst Molden

Ernst Molden

An die Liebste geschmiegt sitze ich auf dem Diwan und stelle mir ein riesiges, ein Hunderttausend-Eimer-Fassl vor.

von Ernst Molden

über einen Feiertag, der keiner ist

Die Liebste und ich haben müde Tage. Wir müssen viel arbeiten, und das Licht, das vom Himmel fällt, ist knapp bemessen. Wie freuen wir uns daher über einen Feiertag! Morgen kein Frühdienst, wispert die Liebste selig am Vorabend von Leopoldi. Genau, wie leiwand, wispere ich zurück. Die Kinder haben frei, und wir dürfen schlafen. Dürfen wir?Um kurz nach neun ruft Freund und Agent C. an: Ich sitz wie ausgemacht im Engländer, sagt er ratlos. Unpädagogischerweise entfährt mir ein Fuck! Zwischen meinen Kindern, die verständnislos im Pyjama aufs Häusl wandeln, fahre ich halbblind in die Stiefe­letterln und dann mit dem Leichenwagen zum Engländer. Ich bespreche mit dem C. die Konzerte des 13er-Jahres, dann kehre ich heim, wo die Familie das Frühstück abschließt. Die Leopoldifalle – das bedeutet: Frei für die Kinder, Fron für die Großen.Leopold III., 1073 bis 1136 auf dieser Welt daheim, war unter den sechs Babenberger Leopolden noch der netteste, quasi ein Einäugiger unter ethisch Blinden. Dafür wurde er gleich heiliggesprochen und ist heute der Patron von Wien, Nieder- und Oberösterreich. Kinder lieben ihn, denn sie haben frei und rutschen im Stift Klosterneuburg das sogenannte Tausend-Eimer-Fassl hinunter. Erwachsene hingegen sind bös auf ihn, weil sie so wie ich in seine Falle tappen. Wieder zuhaus, sage ich: Ein wunderschöner Tag, jetzt fahr ma irgendwo hinaus, Lobau, Schwarzenbergpark, was weiß ich. Gut, sagt die Liebste. Dann geht das Telefon: Ein zweites, lauteres, geradezu babenbergisches Fuck! entfährt mir. Freund und Akkordeonfestival-Intendant F. hat ein Schippel Musiker ins Weinhaus Sittl geladen, um seinen wunderbaren musikalischen Adventkalender zu besprechen. Diesmal nehme ich die Liebste und die Brut mit. Danach geht sich immerhin noch ein Dämmerstündchen auf den Steinhofgründen aus, wir spielen sehr lustig Fußball, und der Leopolditag ist wieder vorbei. Abends sitze ich an die Liebste geschmiegt auf dem Diwan, schließe die Augen und stelle mir ein riesiges, ein Hunderttausend-Eimer-Fassl vor. Dieses rutsche ich aller­dings nicht hinunter, ich betrete es vielmehr, verschließe es hinter mir und rolle einen sanften Abhang abwärts, dem Schlaf zu.

Kommentare