Bäuerlicher Familienkonsens am Rochusmarkt

wien MITTE: Weihnachtswunder
wien MITTE: Ernst Molden über den Rochusmarkt und eine Blunzen, die nur er liebt.

Samstagvormittag sind die Bauern am Rochusmarkt. Die Liebste ist entzückt davon und geht eigentlich jedes Mal hin. Was sie mitbringt, ist so etwas wie der bäuerliche Familienkonsens: Bratlfett, Paprikawürste, Speck, Obst, Blumen. Auf meine Frage, was sie dort so erfreue, sagte sie unlängst, es beruhige sie total, von frischem Obst, Gemüse, Essen überhaupt umgeben zu sein. Ah, sagte ich einsichtig. Die Kinder reißen sich darum, mit ihrer gut gelaunten, schönen Mama zu den Rochusbauern zu gehen, sie kommen schwer beladen und swingend wieder heim. Was soll ich sagen?

Vergangenes Wochenende war die Liebste zuhaus unabkömmlich und man entsandte mich unter Kuratel des marktgewandten Zweitgeborenen in den Schatten der Rochuskirche. Was soll ich kaufen?, fragte ich schafsartig. Na ja, sagte die Liebste, Wurst, Speck, Bratlfett, bei den Käsejungs einen guten Käse, Zwieberln brauch ma, schöne Birnen, wenn’s gibt, vielleicht Trauben, auf jeden Fall Erdäpfel, und schau, ob noch schöne Blumen da sind. Ah, sagte ich wieder und kritzelte die Begriffe in winziger Schmierasch auf einen entwerteten Fahrschein. An der Hand des Sohnes begriff ich bald, weshalb mir der Bauernmarkt bei allem offensichtlichen Charme und Wert dennoch unheimlich war.

Einerseits war da die Tatsache, dass hier bei den Bauern schnell etwas "aus" sein kann. Man muss also schnell wie der ländliche Bussard auf das Essen hinabstoßen, wenn man zum Zug kommen will. Die urbane, verträumte, streunende bis bummelnde Art des Einkaufs, wie ich sieschätze, ist hier von Nachteil. Dazu kommt die Bäuerlichkeit der Verkäufer, deretwegen ich mich lächerlicherweise selbst bäuerlich zu benehmen begann. Ich rückte meine Sprache Richtung Weinviertel, und setzte bei der Betrachtung, etwa von Birnderln, einen Kennerblick auf, der reine Behauptung war. Ich stellte fest, dass ich alter Citoyen von Mitte und Erdberg hier Opfer einer Unsicherheit war, die von der "Größe und Gleichgültigkeit" des Landes, wie Faulkner schreibt, ausgelöst wurde. Zuhaus packten wir aus, und hatten prompt nicht ganz das Richtige dabei. Knofl- statt Paprikawurst, keine Erdäpfeln, dafür eine Blunzen, die nur ich liebe. Stur saß ich in der Küche, aß sie auf, und suchte nach dem Hauptstädter in mir.

ernst. molden(at)kurier.at

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