Wo hat man schon eine Reihe für sich allein?

Thomas Trenkler

Thomas Trenkler

Der Wiener Stadtrat für Kultur, Sport und manch anderes versucht, in Inseraten mit diversen Zahlen zu beeindrucken. Jeden Abend gebe es zum Beispiel 100.000 Sitzplätze für Theater, Performance, Kino und Musik. Doch die Zahl der Plätze sagt gar nichts aus. Viel wichtiger ist, wie viele von diesen genutzt werden. Aber darüber gibt Andreas Mailath-Pokorny keine Auskunft.

Ihr Tratsch-Partner war gerade im Volkstheater – in einer ganz normalen Vorstellung. Er gewann ein völlig neues Gefühl für Raum. Denn wann hat man schon eine Reihe für sich? Zum Glück wurde ihm ein Platz zugewiesen. Er hätte sich unter dem riesigen Angebot nicht für einen entscheiden können.

Gerüchte, dass Anna Badora, die neue Direktorin, gröbere Auslastungsprobleme hat, gibt es schon länger. Angeblich soll sogar eine Vorstellung abgesagt worden sein, weil im Vorverkauf nur 27 Karten abgesetzt wurden. Eine Anfrage im Pressebüro, wie es nun mit den Auslastungszahlen aussehe, wurde schroff beantwortet: „Während der laufenden Spielzeit werden wir die Auslastung nicht kommentieren.“ Es sei zwar eine Vorstellung abgesagt worden, aber „aus dispositionellen Gründen“.

Die Gerüchte wollen trotzdem nicht verstummen. Es heißt, dass man im Kulturamt langsam nervös werde. Was man verneint: Mailath-Pokorny stehe hinter Badora und ihrem Programm. Im Übrigen sei die Auslastung nicht schlechter als in der vorigen Saison, der letzten von Michael Schottenberg.

Und die war leider gar nicht gut. In der Saison 2011/’12 soll die Auslastung respektable 85 Prozent betragen haben, ein Jahr später lag sie bei 78 Prozent, und im Mai 2014 bezifferte Cay Stefan Urbanek, der kaufmännische Direktor, sie bei einer Pressekonferenz auf Nachfrage der APA mit 73 Prozent.

Schottenberg sagte damals: „Auslastungszahlen interessieren mich nicht. Glauben Sie keiner einzigen Auslastung! Sie sind alle frisiert!“ Das stimmt wohl – gerade für das Volkstheater. Denn man versteckte Sitzplätze hinter Vorhängen, dank der künstlichen Verknappung des Angebots war die Auslastung irgendwie passabel. Zudem sprach man immer nur von der Gesamtauslastung, also inklusive der Gastspiele des Volkstheaters in den Bezirken. Nimmt man nur das Haupthaus her, sieht es düster aus: Die Statistik Austria kommt bei ihrer Berechnung für die Saison 2012/’13 auf eine Auslastung von 61,4 Prozent – bei 910 zur Verfügung stehenden Sitzplätzen.

Einst fasste das Theater 1843 Zuschauer. Doch immer wieder wurden Sitze entfernt (auch aus den Logen). Und Badora hat noch ein paar Reihen eliminieren lassen. Dies hat zur Folge, dass sie etwa zwölf Prozent weniger Besucher benötigt, um auf die gleiche Auslastung wie Schottenberg zu kommen.

Wenn Michael Niavarani Besucherzahlen verschweigen würde, dann ist das okay. Er bekommt für seine Shakespeare-Parodie ja auch keine Subventionen. Der Steuerzahler finanziert hingegen das Volkstheater zu etwa 80 Prozent. Da darf man Transparenz verlangen. Niavarani gibt seine Zahlen übrigens gerne bekannt. Sie sind exzellent. Er würde aber auch ein Scheitern einbekennen.

Ach ja: Ihr Tratsch-Partner war dann noch im Schauspielhaus, nun unter der Leitung von Tomas Schweigen. Platzangst bekam er nicht.

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