Ein Kulturkonzern als Karrieresprungbrett
Zudem erweist sich die mitunter milde belächelte NÖKU immer stärker als Karrieresprungbrett.
Joachim Rössl, seit gut 25 Jahren kulturpolitischer Drahtzieher in Niederösterreich, erschien es nicht sinnvoll, alles in der Landeshauptstadt zu bündeln: Als Gegenstück zum Kulturbezirk von St. Pölten wurde 1990 in Krems eine Tabakfabrik zur Kunsthalle umfunktioniert. Schon bald kam die Idee einer Kunstmeile auf – und 1992 wurde für diese eine neue Organisationsform entwickelt. Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass private (zumeist VP-nahe) Unternehmen, die ihr Know-how einbringen, als Gesellschafter fungieren. Das Land, im Aufsichtsrat vertreten, stellt lediglich das Geld zur Verfügung.
Der Ansatz erwies sich als ausbaufähig: Ende 1999 wurde die Niederösterreich Kulturwirtschaft gegründet, um die in St. Pölten errichteten Betriebe mit den bestehenden in Krems unter einem Dach zu vereinen.
Die NÖKU bestand anfangs aus vier Gesellschaften. Heute ist die von Paul Gessl geleitete Holding ein mächtiger, manchem zu mächtiger Konzern. Sie gliederte nicht nur alle großen Landeseinrichtungen ein, sondern wurde auch zum Auffangbecken für Institutionen, mit denen sich Städte übernommen hatten (darunter das Nitsch-Museum in Mistelbach). Gegenwärtig hat die NÖKU zwölf Tochtergesellschaften mit 32 Kulturmarken. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von einst 54 auf 1000.
Seit Anfang an wird auf die strikte Trennung von künstlerischer und kaufmännischer Leitung geachtet. Der eine oder andere Direktor fühlte sich dadurch in der Gestaltungsfreiheit beschnitten. Aber eine derart monströse Verschuldung wie beim Burgtheater unter der Geschäftsführung von Matthias Hartmann und Silvia Stantejsky wäre wohl unmöglich: Der immerzu rote Socken tragende Gessl erachtet seine starke Management-Holding als Modell – auch für die Bundestheater.
Zudem erweist sich die mitunter milde belächelte NÖKU immer stärker als Karrieresprungbrett. Gessl hat gegenwärtig vier Jobs zu besetzen. Er sucht eine neue Leitung fürs Donaufestival (Tomas Zierhofer-Kin übernimmt die Wiener Festwochen, es gibt etwa 60 Bewerbungen). Ausgeschrieben wurde die Leitung des Landestheaters Niederösterreich (Bettina Hering wechselt als Schauspielchefin zu den Salzburger Festspielen) und die Geschäftsführung der Kunstmeile Krems (Cornelia Lamprechter ist ab Oktober die kaufmännische Mumok-Leiterin). Zudem hat Gessl noch die Bühne im Hof zu vergeben: Mimi Wunderer geht in Pension.
Zunächst aber wird das 15- Jahr-Jubiläum der NÖKU gefeiert: am Dienstag im Palais Niederösterreich in Wien. Nicht ausgelassen, sondern nachdenkend. Als Redner beim Symposion "Wessen Brot ist die Kunst" fungieren u. a. Städel-Direktor Max Hollein und Ex-ORF-Zampano Wolfgang Lorenz.
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