Tagebuch: Narrenhäuser
Burn-out. Ralf Rangnick ist nicht mehr Schalke-Trainer. Noch bei Dietmar Constantinis Abgang hieß es, der ÖFB möge einen wie Rangnick als Teamchef engagieren. Fehlt nur, dass boshaft ergänzt wird: Jetzt wäre der Patient zu haben. Constantini erfuhr am Donnerstag in Ägypten vom Rücktritt seines Nicht-Nachfolgers. Er kann sich in Rangnicks Lage versetzen. "Wie soll man Kraft weitergegeben, wenn man selbst keine mehr hat." Urlauber haben Constantini angesprochen und bedauert, wie garstig die Öffentlichkeit mit ihm umgegangen sei. Obwohl Constantini auf Mitleideffekt pfeift - solche Worte tun auch der Seele eines vermeintlich unerschütterlichen Tirolers gut. Wie sein Vor-Vorgänger Josef Hickersberger, der inzwischen im fernen Abu Dhabi die Heim-EM 2008 als "die schlimmste Belastung meines Lebens" in Erinnerung hat, weiß auch Constantini, dass der Klubtrainer-Job in Deutschland noch viel stressiger als das Teamchef-Amt in Österreich ist. Täglich Pressekonferenzen, täglich Internet-Anfeindungen, dazu Sponsortermine plus ein Mal wöchentlich "Verhöre" bei Fan-Klubs. Anders als Wirtschaftsbosse müssen Fußballtrainer ständig in aller Öffentlichkeit ihre Entscheidungen rechtfertigen. Zudem erwartet jeder der 20 sensiblen Profis, dass der Trainer jeden Tag mit ihm redet. Und wer vom Boulevard ein Skandälchen sucht, der braucht nur frustrierte Ersatzspieler kontaktieren, um fündig zu werden. Die Mechanismen funktionieren hierzulande nicht anders. Trotzdem sind ÖFB und tipp3-Liga Sanatorien im Vergleich zu den Irrenhäusern, die sich Primera Division, Serie A und Deutsche Bundesliga nennen.
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