Tagebuch: Marcel & Marcel
Er sollte längst unters Messer. Doch er startete trotz seines lädierten Knies, riskierte alles, drehte unfreiwillig Pirouetten, bevor er einen Meter vor der Ziellinie liegen blieb. Immer wieder landet Bode Miller auf dem Hosenboden.Und immer wieder siegt inzwischen Marcel Hirscher. Jener elf Jahre jüngere Bursche, dem Miller schon bewundernd auf die Skier sah, als Hirscher noch mit hoher Startnummer aus dem Europacup kam. So wie jetzt ein anderer Marcel.Nach dem siebenten Saisonsieg lächelte neben Hirscher erstmals Marcel Mathis vom Podest. Firmpate des Senkrechtstarters war der ehemalige Formel-Pilot Christian Klien. Und Vollgas gibt Mathis, sofern er im Weltcup mitfahren darf, mit Head-Skiern, die ihm sein Vater präpariert. Mathis senior ist der Servicemann von Miller. Ein Sonnyboy wie der Junior. Andernfalls würde es Bertram Mathis nicht so lange aushalten mit dem US-Ski-Hippie.
"Endlich wieder ein Vorarlberger", sagt Landsmann Marc Girardelli, der in Bansko gemeinsam mit dem letzten (mittlerweile mit bulgarischem Pass versehenen) Vorarlberger Podestfahrer Kilian Albrecht alpine Pionierarbeit geleistet hat.Aber der fünffache Gesamtweltcupsieger Girardelli sagt auch: "Hirscher ist der beste Torläufer der Gegenwart. So überlegen wie früher Ingemar Stenmark." Der so Gelobte reagiert mit der für ihn typischen professionellen Bescheidenheit: "Stenmark hat 86-mal gewonnen, ich nur zehn Mal." Triumph Nummer elf peilt Hirscher im Slalom am Sonntag an, ehe er nach Moskau fliegt. Dort carven Dienstag auf einer Rampe neben dem Luschniki-Stadion die Top 15 der Weltrangliste plus ein Russe um die Wette. Durchaus möglich, dass Hirscher auch Ivica Kostelic trifft. Kein Irrtum!
Der kroatische Weltcup-Spitzenreiter spekuliert allen Ernstes damit, nur acht Tage nach seiner Knieoperation im Parallelslalom zu starten. Der legitime Hintergedanke: Selbst wenn Kostelic nur einen Meter weit fährt, erhält er – wie alle Erstrunden-Verlierer – automatisch 15 Weltcuppunkte. 15 Punkte, die im (Drei-)Kampf um den Gesamtweltcup zwischen Kostelic, Beat Feuz und Hirscher entscheidend sein könnten. Hirscher aber flucht nicht über das perverse Regelwerk, sondern gesteht: "An Ivos Stelle würde ich es genauso tun."
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