Waldesruh'

sex IN DER FREIZEIT: 19 Mal pro Tag
Sex in der Freizeit: Sex in der Natur ist nicht nur deshalb so schön, weil man sich im Schoße von Mutter Erde ein bisschen eins mit dem Universum fühlt. "Green Peace" wunderbar, aber: So eine Spritztour im Grünen lebt vor allem vom Kick des Verbotenen. Wohl deshalb treiben es manche Menschen auf Almwiesen, Parkbänken oder im Sportbecken eines großen Bades.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Große Empörung: Wer war wohl der Lauser, der sich im Wald so wild mit einer Dame vergnügt hat und dabei von einer Kamera zur Wildbeobachtung erwischt wurde?

Akt XY ungelöst. Bis zu Redaktionsschluss dieser war nicht klar, welch Parteimitglied so umtriebig gewesen ist. Auf jeden Fall löste der Fall eine Diskussion zum Thema "Überwachung" aus: Wildbeobachtung mit Hilfe von Infrarot-Kameras schön und gut – aber dann muss es wenigstens Hinweisschilder geben, die Ruhe­suchende und potenzielle Wald- & Wiesen-Schnacksler aufmerksam machen, dass sie bei ihren Tätigkeiten gefilmt werden könnten. Danach kann ja immer noch jeder selbst entscheiden, ob er die Hosen runterlassen möchte oder eben nicht.

Wobei? Ich glaube ja, genau darin liegt der spezielle Reiz des koitalen Open-Air-Festivals. Wer irgendwo "öffentlich" schnackselt, muss damit rechnen, erwischt zu werden. Das schafft eine sehr eigene erotische Atmosphäre: die des Verbotenen einerseits. Und andererseits die des "Das muss jetzt sein, so geil sind wir aufeinander". Wohl deshalb gibt’s den schnellen Fick auf der Parkbank, im öffentlichen Schwimmbad, im Cabrio auf der Höhenstraße. Oder das Bein der Dame im Schritt des Herrn – während der Garten- und Grillparty bei den Nachbarn.

Einen gewissen Reiz dürften auch die Verkehrsbetriebe ausüben: 2010 machte zum Beispiel ein YouTube-Video die Runde – von einem Pärchen, das sich in der U1 vergnügte. Mehrere Mit-Fahrer versammelten sich um die beiden, feuerten das Liebesspiel an, filmten mit. Ähnliches in Kanada – dort wurden ein Mann und eine Frau dabei gefilmt, wie sie sich auf dem Bahnsteig für eine schnelle Nummer niederließen. Pfeif auf Viagra, alles eine Frage der Chemie: Der Hormonmix aus Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin putscht auf, kitzelt die Leidenschaft, schafft Höhepunkte.

Ganz abgesehen vom Naturerlebnis, das so ein lüsterner Ausflug bietet. Ich kannte ein Paar, das regelmäßig ein paar Tage im Jahr im Steirischen verbringt – als eine Art Wellnessurlaub für die Genitalien. Green Peace, herrlich.

Die beiden ziehen los, um zu wandern, an einer schönen Stelle ins "Land reinzuvögeln", um dann, erleichtert, irgendwo ein Speckjauserl zu nehmen. Sie haben ein Lieblingsplätzchen, wo sie sich an einen bemoosten Fels lehnen kann, während er seinen Blick frei durch den duftenden Mischwald schweifen lässt. Nur die Rehlein schauen zu. Ja, das sind die wahren Naturwunder. Im Verbund mit Ameisen, Beeren, Blätterrauschen und Vogel­gezwitscher ist Vögeln noch etwas ganz Besonderes. Zurück zu den Wurzeln – Orgasmen im Feuchtgebiet von Mutter Erde.

Ja klar, das muss man mögen. Aber, ehrlich: Schnackseln in der Missionarsstellung auf diversen Federkernmatra­tzen kann jeder. So richtig fein machen sich vor allem die Abweichungen in der eigenen Sex-Biografie. Im Herbst des Lebens, wenn die Jahre in die Geschlechtsteile geschossen sind, nährt dies schöne Erinnerungen. Bedauernswert, wer nichts zu bereuen und daher nichts zu erzählen hat. Frei nach Mae West: "Zu viel des Guten kann wundervoll sein."

gabriele.kuhn(at)kurier.at

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