Unwiderruflich

Sex in der Freizeit: Über Sexting – das Hochladen von Nacktbildern oder -videos durch Teenager im Internet – wird viel diskutiert. Weil die Gefahr besteht, dass sich die Kids zu etwas hinreißen lassen, diese Aufnahmen aber missbräuchlich verwendet werden.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Die Kinder posen – Kussmund, Hüfte rein, Hüfte raus, augenzwinkernd

von Gabriele Kuhn

über die Gefahren des Sexting - das Hochladen von Nacktbildern oder -videos durch Teenager im Internet.

Ein bisschen Panik geht um. Erst unlängst, im Kreise nervöser Teenie-Eltern: „Wir glauben ja nur zu wissen, was in den Köpfen der Kindern vorgeht“ ... „Also ich kontrolliere schon mal heimlich den Facebook-Account meiner Tochter“. Oder: „Was, wenn die doch mal Nackt-Pics von sich posten?“Auslöser für diese Diskussion war die schreckliche Geschichte rund um Amanda Todd – ein 15-jähriges Mädchen aus den USA. Amanda beging Selbstmord, nachdem man ihr keine Ruhe mehr ließ und sie per Internet stalkte, mobbte, kaputt machte. Der Grund dafür: ein Jugendfehler. Das Mädchen hatte mit zwölf einem Freund das Foto ihres nackten Busens geschickt. Der veröffentlichte es eines Tages im Netz. Dann ging die Hetzjagd los – so lange, bis sie nicht mehr konnte, ihr letzter Hilfeschrei war ein YouTube-Video, in dem sie ihre Geschichte auf weißen Zetteln erzählte.Furchtbar, ja. Und sicher ein guter Anlass, sich mit den Kids hinzusetzen und erneut zu reden. Über den sorgfältigen Umgang mit sozialen Medien, über Selbstbewusstsein, Rückgrat, kluges Handeln: Denk an Ursache und Wirkung, Kind. Bleib bei dir, mach nicht jeden Schwachsinn mit. Wir, die Erwachsenen, werden mit Schlagworten und Geschichten aufwarten, nachdem wir selbst gegoogelt haben und im Netz fündig wurden: Sexting sei ein weit verbreitetes Phänomen, vor allem in den USA. Und noch böser: Laut einer neuen Studie der Internet Watch Foundation ( IWF) landen 88 Prozent dieser Bilder oder Videos in einer fremden Web-Umgebung – dort nämlich, wo sie gar nicht hingehören. Auf Pornoseiten, zum Beispiel. Denn: Was geschehen ist, ist geschehen. Einmal hochgeladen (und von „Parasiten“ kopiert), sind Videos, Texte oder Fotos für immer im virtuellen Universum verewigt.Jetzt werden die Kinder nicken, sie werden auch finden, dass das schrecklich sei und allerlei versprechen. Sie werden aber auch – nach einer Weile – die Augen verdrehen und sagen: Ich hab’s verstanden, Mama, Papa. Ja, schon gut. Kann ich wieder in mein Zimmer? Und wir werden ängstlich erwidern, okay, aber bitte: pass auf! Dann ziehen sie von dannen, hören Musik, während sich ihr pubertierendes Hirn neu vernetzt und verkabelt.  Vor allem Mädchen experimentieren unglaublich gerne mit Bildern und Filmchen von sich selbst. Ein digitaler Identitätsfindungsprozess per Smartphone-Kamera: Wie sehe ich aus, wie komme ich rüber, wer bin ich, wer möchte ich gerne sein? Die Kinder posen – Kussmund, Hüfte rein, Hüfte raus, augenzwinkernd, Grimassen schneidend, verträumt, verrucht – so wie sie es bei Austria‘s Next Top Model serviert bekommen. So wie sie gerne wären – ein Bild von sich entwerfend. Man kann sich als Elternteil entrüsten: Wahnsinn, Blödsinn – das gab es früher nicht. Wir durften uns in dem Alter ja nicht einmal schminken. Ein Nullargument, das wir schon von den eigenen Eltern absolut öd fanden. Genau an dieser Stelle ist es ziemlich wichtig, loszulassen, zu vertrauen. Dass sie doch mehr wissen, was sie tun. Dass sie mehr auf uns hören, als wir ahnen. Ja: Die neuen Medien machen es Erziehungsberechtigten nicht einfach. Aber, nein: Unsere Kids sind nicht blöd.

gabriele.kuhn(at)kurier.at

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