Smartphone, postkoital

Laut einer neuen Studie checkt jede/r Dritte unmittelbar nach dem Geschlechtsakt sein Smartphone, schreibt eine SMS, twittert oder aktualisiert den Facebook-Status. Ganz schön blöd. Denn vermutlich werden die besten Sachen kurz nach dem Vögeln erfunden.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Viele können nur vögeln, wenn das Smartphone eh griffbereit am Nachtkastel liegt.

von Gabriele Kuhn

über die Abhängigkeit vom Smartphone.

Viele Menschen sind überzeugt, sie können das: Alles Mögliche gleichzeitig machen. Folglich ist es auch en vogue, in Parallelwelten zu agieren – multidimensional. Man isst nicht nur, wenn man isst, sondern sieht dabei fern, liest in einer Illustrierten, wischt mit fetten Griffeln auf dem Tablet herum. Und geht dabei mit dem Partner die Einkaufsliste fürs Wochenende durch. Das macht aus dem modernen Menschen den Menschen 3.0. Stets auf der Lauer, stets auf der Hut – topinformiert, beinhart am Puls. Und so kommt’s, dass auch Liebende sich ihrem Treiben nicht mehr ganz so schwerelos hingeben wie einst. Viele können nur vögeln, wenn das Smartphone eh griffbereit am Nachtkastel liegt. Könnt ja was sein, bitteschön. Könnt ja die Welt untergehen oder ein Tweet reinrasseln. Eine SMS, eine Facebook-Verständigung – ein Anruf aus Hollywood. Mag sein, dass sich das Gros der sexuell Aktiven während des Akts noch disziplinieren will – aber dann! Kaum ist das genitale Werk vollendet, greift jeder Dritte (und ja auch JEDE Dritte, das zeigen neueste Untersuchungen) zum Handy, um dort ein bissl herumzuklicken, herumzusurfen, zu schreiben, den Social-Media-Status upzudaten. Oder das fünfmillionste Katzenfoto zu posten – mit erhellenden Sätzen wie „Uiii, sooo lieb“.

Postkoitales Smartphoning ist die Regel, nicht die Ausnahme. Und das ist – vernetzt hin, modern her – saublöd. Ich selbst bin bekennender Info-Junkie (mich finden Sie auf Twitter, in Facebook und ich habe ca. 50 News-Apps auf meinem Smartphone). Kann schon sein, dass ich auf kalten Entzug komme, wenn ich unvorbereitet in ein Funkloch tappe. Und doch – alles zu seiner Zeit: Wer eine Runde fliegen möchte, sollte gefälligst den Flugmodus auf seinem Handy aktivieren.

Nach dem Sex ist nämlich vor dem Sex. Ein wunderbarer Zustand, der mitunter geiler sein kann, als die Erregung zuvor. Da kugelt man herum, erlöst, locker, müde, entspannt, durchblutet, verschwitzt und fröhlich. Die Luft riecht nach Geilheit – das einzige Gerät, das jetzt angeworfen werden darf, ist ein Vibrator, bitteschön. Dem Herrn hingegen sei eine Schlummerrunde gegönnt. Aber nix da – laut aktueller „Mobile Mindset Study“ schaut’s so aus: 73 Prozent geraten in totale Panik, wenn sie ihr Smartphone nicht finden. 58 Prozent schaffen keine Stunde mehr, ohne mal schnell ihr Handy zu checken. 54 Prozent surfen im Telefon, während sie im Bett liegen. Und 39 Prozent sitzen am Häusel und spielen gleichzeitig am Handy rum. Alles klar?

Ich bin ja der Überzeugung, dass die besten Ideen unmittelbar nach dem Sex entstehen. In diesem lasziv-lässigen Zustand der gedanklichen Schwerelosigkeit, gleich dem Alpha-Zustand knapp vor dem Einschlummern, kann man mitunter recht genial werden. Heißt: die schönsten Dinge tun, denken, sagen, schreiben, malen, komponieren, häkeln, stricken, kochen. Wer weiß, vielleicht ist Albert Einstein der zündende Relativitäts-Funke nach einem Beischlaf eingefallen? Vermutlich ist auch Mozart die Idee für so manches Menuett in satter postkoitaler Befriedigung gekommen. Und ich könnte wetten: Der Guglhupf wurde garantiert nach einem multiplen Orgasmus erfunden.

gabriele.kuhn@kurier.at

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