Sex: Vibrator an Kommandozentrale

Er schaut verlockend aus und er kann so einiges – der "We Vibe" ist ein Vibrator, der im Grunde keine Wünsche offen lässt. Doch das Ding hat auch dunkle Seiten. Er kann – unter bestimmten Umständen – intime Daten weitergeben. So heikel wie spannend: Einer potenziellen Lust & Liebe-NSA wären damit nämlich keine Grenzen mehr gesetzt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Im Großen und Ganzen geht es da also um eine neue Form der Masturbations-Überwachung.

von Gabriele Kuhn

über den Vibrator "We Vibe"

Diese Technik! Böse, sehr böse, richtig böse. Nicht immer, aber immer öfter. Mich wundert daher nicht, dass es Menschen gibt, die ihren Plattenspieler aus dem Keller holen und sämtliche MP3-Dateien löschen. Um sich zeitgleich mit schimmerndem Blick an die durchaus charmante Zeit des Vierteltelefons zurückzuerinnern (Sie wissen, das waren diese Dinger mit Wählscheibe, deren Anschluss man sich mit drei anderen Nachbarn teilte, was zu Telefonzeit-Revierkämpfen führte).

Und jetzt auch noch sowas! Ein Vibrator, der intime Daten, also Daten, die wirklich niemanden etwas angehen, an den Hersteller schickt. Konkret handelt es sich um den U-förmigen und an sich nicht unschicken "We-Vibe". Der lässt sich via Bluetooth mit einem Smartphone verbinden und wird so durch eine spezielle App gesteuert. Mit Hilfe dieser App ist es dann möglich, Surr- und Schnurr-Intensität zu regulieren, und auch der Partner kann hier aktiv mitmischen. Das klingt prinzipiell nach sehr viel Spaß, hat aber Tücken. Denn im Hintergrund kann die Sextoy-Applikation, wie gesagt, klammheimlich Daten übertragen – zu Gebrauchsdauer, gewähltem Vibrationsmodus und wie warm der Freudenspender bei der Nutzung wird. Was natürlich etwas über die individuelle Geilheit/Gier der Vibrator-AnwenderInnen aussagen könnte – und vielleicht noch mehr. Im Großen und Ganzen geht es da also um eine neue Form der Masturbations-Überwachung. Und damit Sie wissen, von welchem Vergnügen hier konkret die Rede ist: We-Vibe ist nicht irgendein simpler Belustigungs-Stab, sondern der Airbus A350-900 XWB b der Masturbations-Industrie. Er moppelt doppelt, stimuliert G-Punkt und Klitoris gleichzeitig und das – bitte festkrallen – auf insgesamt zehn Vibrations-Modi. Eine US-Bürgerin fand dieses „Big-Brother-is-watching-your-Geilheit“-Prinzip dennoch nicht lustig und startete eine Sammelklage. Sie fordert Unterlassen der Datenübertragung sowie Schadenersatz. Das Unternehmen selbst sagt zum vernetzten Vibrator nur so viel: "Die We-Vibe-Produkte sammeln Nutzungsdaten wie Vibrationsintensität und -modus zu Marktforschungszwecken. So können wir besser verstehen, welche Einstellungen und Intensitätslevel am beliebtesten sind."

Die Geschichte hat großes Entwicklungspotenzial für eine allenfalls sich entwickelnde Lust -&-Liebe-NSA. Diversen Überwachungsmöglichkeiten wäre kein Ende gesetzt. Ein paar Beispiele: Intelligente Matratzen, die allfällige Erschütterungen und Beckenbewegungs-Frequenzen per Funksatellit in die Zentrale der Weltmacht senden, wo Experten aufgrund globaler Bums-Aktivitäten an komplexen Algorithmen tüfteln. Handschellen mit eingebautem Mikro, um per Lauschangriff den weltweiten Dirty Talk auf geheime Codes zu checken. Versteckte Mini-Kameras in Schlafzimmerspiegeln und Kondomen, um vertiefende Einblicke in das seltsame Verhalten und die Anatomie sexuell animierter Paare zu bekommen. Auch denkbar: Transponder im S/M-Spielzeug, um zu überprüfen, wie viele Peitschenhiebe auf den Hintern dieses Universums landen. Undenkbar sagen Sie? Das dachten viele wohl auch, als irgendjemand irgendwann einmal davon schwadronierte, dass es eines Tages Menschen geben wird, die beim Spazieren in ein Gerät quargeln und das "Handytelefonieren" nennen.

gabriele.kuhn@kurier.at

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