Sex: Nix Husch, Nix Pfusch

So ein hingesäuseltes, rhythmisch-betörendes „I Wanna Make Love to You“, nachts um halb zwölf, das kann schon was. Es macht Lust – Lust auf einen Sex, der sich jenseits von Dringlichkeit und Momentaufnahme im Zeitkosmos verliert. Liebe machen – eine Erfahrung für Fortgeschrittene und immer eine gute Stunde wert.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Lass uns schmutzig Liebe machen ...

von Gabriele Kuhn

Er macht Liebe, sie gibt sich der Liebe hin.

Songs im Radio beamen uns ja oft in eine andere Gedankenwelt. In den „Moi, wann war denn das?“-Kosmos. Erinnerungen beschlagen wie Dampf das Fenster zur Gegenwart. Und plötzlich säuselt einer was von „Making Love to You“. Unlängst passiert. Ich saß im Auto und hörte – ich weiß nicht wen. Der Song hatte diesen Hüftschwung – dazu muss der Zuhörer einfach ein bisschen die Augen schließen und die Hüften, beziehungsweise das Becken wiegen. Erinnerung an F, die zu Marvin Gaye mal tanzte und irgendwann, nach dem vierten Gin Tonic sagte: „Das groovt bis in die Mumu.“ Doch das ist eine andere Geschichte.

Hängengeblieben bin ich nämlich beim Text des gespielten Liedes, konkret bei dem so geschmeidigen Begriff „Lovemaking“. Wunderbares Bild, das da auftaucht. Liebe machen, heißt das dann auf Deutsch. Eine verbalerotische Rarität. Wer sagt denn heute noch: „Ich möchte mit dir Liebe machen“? Wenn’s halbwegs anständig hergeht, haben zwei was miteinander oder etwas „am Laufen“. Wenn’s weniger anständig, beziehungsweise eher geerdet-gierig hergeht, ficken zwei, vögeln zwei. Wissenschaftlich wird das „koitieren“ genannt, die Braven sagen artig „miteinander schlafen“. Vor Gericht, etwa wenn es um die Anerkennung einer Vaterschaft geht, reden Experten darüber, ob ein Mann einer Frau „beigewohnt“ hat.
Ach ja – wer „Liebe machen“ googelt, landet bei diesem Song der „Schröders“, Mitte der Neunziger:

Lass uns schmutzig Liebe machen,
Alle diese wilden Sachen,
Die man nur aus Filmen kennt,
Die man nie beim Namen nennt.
Lass uns schmutzig Liebe treiben,
Körper aneinander reiben.
Lass uns wie die Tiere tun,
Hier und jetzt und nun.

(Anmerkung der neben mir sitzenden Kollegin: Jössas, Erinnerungen werden wach! Das war 1. Klasse Gymnasium auf dem Weg zum Schwimmbad, in der letzten Busreihe.)

Wobei bei diesem Song eher zu vermuten ist: Hier geht’s so gar nicht um jenes Liebe machen, das mir gerade vorschwebt. Hier geht’s viel eher und schlichter ums Tun, ums Treiben – oja: ums Vögeln. Wunderbar. Und dennoch: Es lebe der feine Unterschied, alles zu seiner Zeit. Liebe machen ist sich hingebender Eros, ist die in Intimität transponierte Verehrung eines Gegenübers. Indem ich Liebe mache, lege ich alles, was ich an Herzensenergie habe, in den Akt. Da ist nichts oberflächlich, nichts husch, nichts pfusch, nichts geil, nichts mach’s mir, möglichst dreckig. Hier sind zwei innig. Er macht Liebe, sie gibt sich der Liebe hin. Kaum etwas ist mehr entfernt vom Quickie als das da. Und deshalb ist das „Liebe machen“ auch so gar keine Angelegenheit des Beginns. Anfänglich, wenn alles von Gier und Sehnsucht nach dem Partner durchdrungen ist, ist der Sex einfach noch schnell noch atemlos, extrem wollend. Das spätere bis späte Liebe machen hingegen ist langsam, innig und voll des Vertrauens – zwei sagen Ja zueinander, atmen aus, atmen ein. Hingabe pur, die aber nur dann möglich ist, wenn wir uns selbst, dem anderen und dem Leben an sich vertrauen.

gabriele.kuhn@kurier.at

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