Vibrator statt Standmixer

Eiaufstrich, Schlüpfer & Massagestab – für Damen, die sich schöne Stunden machen wollten: So war das mit dem Sexspielzeug der frühen Jahre. Mittlerweile ist die Sextoy-Branche zum Riesengeschäft geworden.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Es verwundert nicht, dass das Sexspielzeug nun auch im Elektronikfachhandel gelandet ist.

von Gabriele Kuhn

über die Sex-Toy-Branche

Bei Ebay gibt’s ja oft sehr spannende Dinge – oja, auch gebrauchte Sextoys. Zufällig entdeckte ich etwa ein „Vintage Supremo de Luxe Massagegerät“ aus den 1960er-Jahren, das für seine 57 Jahre doch allerlei kann: Vibrationsmassage, 7-teiliges Zubehör, immerhin mit Ein/Ausschalter und einem Drehregler zur „Feinstregulierung“. Das alles samt Anleitung und Massagefibel in einer Holzbox. Es wäre allerdings empfehlenswert, das kleiner Gedruckte zu lesen: „Massagegerät und Zubehör im altersbedingten Funduszustand, nur grob gereinigt. Kunststoffgehäuse teils verfärbt und fleckig, auch die Massageaufsätze teils verfärbt und fleckig“. OMG! Besser man lässt die Fantasie an dieser Stelle nicht ausufern und wischt die Wäh!-Bilder vom inneren Flat-TV.

Der speedigste Lustsprudler

Charme hat das Zeugs dennoch, weil es Erinnerungen erzeugt. An jene Zeit, als Vibratoren zwar hergestellt, aber noch äußerst diskret als harmlose „Massagestäbe“ angepriesen und verkauft wurden. Etwa in den Katalogen diverser Versandhäuser, wo immer adrett stand, dass die stromlinienförmigen Dinger zur Entspannung und Pflege der Frau gedacht wären. Dazu sah man Damen mit ondulierten Haaren, wie sie sich die beigefarbenen Stäbe an die Wange hielten und verträumt in die Kamera lächelten. Das rangierte in der Liga von Aufschnittplatte, Gummibäumen und fleischrosa Schlüpfern. Seither ist viel passiert. Sextoys sind nun Lifestyleprodukte, die wie Modeschmuck, Handtaschen oder Schuhe gehandelt werden. Ein Riesenbusiness, in dem Diskretion unerwünscht ist – im Gegenteil: Heute ist angesagt, wer bei sich daheim statt einer Plastikgeschirr-Party eine Sextoy-Sause schmeißt, auf der sämtliche Anwesenden über die besten Liebeskugeln, den speedigsten Lustsprudler und die strapazierfähigsten Fesseln plauschen können. Bei Kaffee, Kuchen und – allenfalls – belegten Brötchen (heute mit Avocadogatsch und Humuspampe, versteht sich) wird erläutert, ob das Gleitgel nach Kokos oder doch lieber nach Basilikumpesto duften soll. Naturgemäß handelt es sich dabei schon längst nicht mehr um ein reines Nischengeschäft, das in der Grauzone des „Kreisch, wie arg“ abgewickelt wird. Daher verwundert nicht, dass das Sexspielzeug nun auch im Elektronikfachhandel gelandet ist. Aktuell beim deutschen Media Markt, der seit Kurzem online neben Standmixer, Kaffeemaschinen und Smartphones auch allerlei Liebesspielzeug vertreibt. In einer Aussendung des Unternehmens heißt es „Look und Feel haben sich verändert, das Schmuddelimage ist bereinigt“. Da geht es vor allem um eines: Umsatz. Und der funktioniert, weil die Experimentierlust der Menschen groß ist und die Branche stets Neues erfindet. Bei Mediamarkt gibt man sich jedenfalls betont weltoffen. Mit Slogans wie „Einfach mal das Hintertürchen nehmen“ wirbt er im Onlineshop für Analtoys und damit verbundene „etwas andere prickelnde Gefühle“. In der Abteilung „BeGLEITschutz“ findet sich ein gut sortiertes Angebot aus dem Gleitgel-Genre. Und wo heute Sextoy draufsteht, müssen auch ganz viele 50-Shades-of-Grey-Accessoires drin sein. Weil offenbar heute ohne Fesseln, Peitschen und Knebel gar nix mehr geht. Traurig hingegen ist das Schicksal des Beate-Uhse-Konzerns. Die Pioniere kämpfen ums Überleben, die Aktie von Beate Uhse ist nur mehr ein paar Cent, das Unternehmen selbst weniger als 17 Mio. Euro wert. Das Ruder wurde zu spät in Richtung E-Commerce herumgeworfen, sagen Insider. Zudem gibt es gerade auf diesem Sektor unglaublich viele Newcomer mit viel lässigerem Image.

gabriele.kuhn@kurier.at

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