sex IN DER FREIZEIT: Testosteron-Tier
Es gibt eine Phase im Leben einer Frau, da geht es nicht mehr darum, seine Zimmerpflanzen zu herzen oder am Schluss des Balanceakts "Gatte-Kinder-Job" lächelnd zu verenden.
Man hört auf, in Versandkatalogen nach mauvefarbenen Tagesdecken – passend zum Ehemann – zu stöbern. Und tut stattdessen endlich, was zu tun ist: Sich zum Beispiel eine Nacht lang das Minus auf dem Konto aus dem Hirn rausvögeln. Mit einem Typen, der nicht nach Gebügeltem und Gelenkskapseln verlangt.
Die Kinder sind ausgezogen, der zur Tagesdecke passende Mann hat sich in das blutjunge Au-pair seiner Schwester verliebt. Die letzten Tränen sind vergossen. Jetzt oder nie. Ich kenne viele Frauen, die die Gunst dieser späten Frei-Stunden nützen, um aufzutauen. L ist zum Beispiel so eine – 59, erfolgreich (Betonung auf reich) geschieden. Die Tochter parkt in einer WG und studiert herum, die Freundinnen aus der Leistungsgruppe "25 Jahre schlechte Ehe trotzdem durchhalten" hat sie archiviert. Mit einer Truppe Neo-Single-Damen bejagt sie Innenstadt und Datingbörsen. Sie weiß, was sie will: "Alles, nur nix Kompliziertes. Lieber zwei sehr Dumme, als ein sehr G’scheiter, der nach drei Mal vögeln glaubt, er hätte einen Fixplatz in meinem Herzen und in meiner Waschküche. Je mehr Tier, je mehr Testosteronsau, desto besser.
Dafür habe ich einen Blick." Und gegen was Jüngeres hat die Frühherbstliche auch nichts einzuwenden: "Die unfassbarste Nacht hatte ich mit einem 23-Jährigen", kichert sie fast so hysterisch wie fünf Teenager vor einem Bruno-Mars-Konzert. Peinlich? Ist ihr nix. Sie strahlt, wirkt jünger als so manch Jüngere. Schön.
Das macht mich neugierig. Die Frage, die ich ihr in ihrer Single-Behausung (Glaspalast, Wien 13 mit südseitiger Whirlpool-Terrasse, eine Scheidungsreliquie) stelle, ist folgende: "Woran, bitte, erkennst du eine Testosteron-Sau?" Ls Blick ist nicht jugendfrei: „Die haben das gewisse böse Etwas. Die schauen oft so aus, als hätten sie nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Was egal ist – ich red ja eher wenig mit denen." Sagt’s und schreibt ein sehr schweinisches SMS an einen gewissen Luigi aus Linz, sicher kein Fader. Was die L sagt, hat Fuß – vor allem aber Hand, rein wissenschaftlich betrachtet. Da gibt es den 2D:4D-Wert – er sagt etwas über das Längenverhältnis des Ringfingers (4D) zum Zeigefinger (2D) aus. Badet ein Fötus im Uterus von Mamsch in Testosteron, dann hat er ziemlich sicher einen längeren Ringfinger als Zeigefinger.
Die Testosteronabfüllung eines Burschen lässt sich aber auch in seinem Gesicht ablesen. Wiener Anthropologen haben entdeckt, dass die Herren mit dem Dominanz-Ringfinger auch dort robuster ausschauen. Und zwar schon als ganz kleine Buben. Robust steht konkret für ein größeres, breiteres Gesicht mit ebensolchem Unterkiefer, kurze Stirn, gedrungenes, männlicheres Erscheinungsbild. Im Gegensatz zum Typ Weichspüler: hohe Stirn, graziles Gesicht.
Da hat sich L ihr so schlichtes wie lustvolles Weltbild gebastelt: "Grazil darf der sein, der mich eines Tages im Altersheim mit Supperl füttert. Bis dahin gönn ich mir das eine oder andere Viech." Allemal besser als ein Facelift.
gabriele.kuhn(at)kurier.at
Kommentare