So nicht. Nein.

Die Debatte unter dem Hashtag #metoo, getriggert durch Sexismus in der US-Filmindustrie und den Filmproduzenten Weinstein, hat viel ausgelöst. Auch Erinnerungen zu Erlebtem – und Verschwiegenem. Als besonders perfide erleben viele Frauen ihre Herabwürdigung als „Spielverderberin“ oder „Frusthaufen“, wenn sie nicht taten, wie erwünscht. Zeit für ein paar Gedanken zu Lust. Und Freiheit.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Lust scheint ein Freibrief zu sein für alles Arschloch-Verhalten dieser Welt

von Gabriele Kuhn

über sexuelle Belästigung

"Mah, die ist underfucked. Da braucht’s wohl eine Klinikpackung Gleitgel, auch fürs Hirn.“ Geht nicht, gibt’s nicht, meinen Sie? Und: Wer sagt sowas Grausliches? Männer sagen das und es ist nicht frei erfunden. Sie stammen aus dem Gedächtnisprotokoll einer Frau, die ich gut kenne – nämlich meinem. Solche oder ähnliche Schenkelklopfsager mussten sich viele meiner Geschlechtsgenossinnen anhören. Meist dann, wenn sie aus Sicht der Herren nicht „mitspielen“.

Also etwa im Rahmen eines b’soffenen Agenturfestls den „guten Kunden“ entsetzt von sich stießen, weil der es wahnsinnig lustig fand, sich ungefragt am Hals der Mitarbeiterin festzusaugen, um ihr einen Knutschfleck zu verpassen, nach der Art des Revierpinkelns. Oder der alkoholisierte Chef es nicht lassen konnte, der Texterin ein bisserl die Zunge zwischen die Lippen zu schieben, wenn die sich artig mit Wangenbussi verabschieden wollte. Hieß es da von weiblicher Seite "Stopp!", kam von männlicher Seite zügig: "Geh, sei nicht so". Und: "Stell dich nicht so an, verstehst keinen Spaß?" Oder: "Frau Sowieso, Sie können doch einen Kunden nicht so brutal zurückweisen. Das schadet dem Geschäft." So passiert vor einigen Jahren, wobei die Betroffene heute sagt: "Shit, hätte ich damals den Mund mehr aufgemacht." Für sie wirken die Geschichten rund um die #metoo- Welle fast retraumatisierend, sucht sie doch die Schuld für die Misere immer noch bei sich selbst. Und nach wie vor schleppt sie das ihr verpasste Emblem der „Frusttussi“ mit sich. Womit die Frau verinnerlicht, dass sie, die Spielverderberin, ein sexueller Scheiterhaufen und durch eine andere (gerne jüngere) Nicht-Spielverderberin zu ersetzen sei.

Wie rasch man als Frau runterkategorisiert wird

Die Geschichte zeigt sehr schön das fiese Verhandeln von Lust. Und wie rasch man als Frau runterkategorisiert wird, wenn auf dem Verhandlungstisch ein "Nein" fällt. Oder ein "So nicht". Vielmehr scheint Lust ein Freibrief für alles Arschloch-Verhalten dieser Welt zu sein, was dann auch gerne in einem Atemzug mit dem Begriff „sexuelle Revolution“ (wozu hammas denn, Pussies?) verknüpft wird. Wehe, eine Frau folgt nicht dem aktuellen Analsexmainstream oder ist nicht bereit, ihre Vagina für einen tindermäßigen Spontanfick zur Verfügung zu stellen – dann ist sie fad, blöde, hormonell unterbesetzt, eh hässlich.

Zum Ausschneiden: Es sind immer zwei, die an diesem Verhandlungstisch das Sagen haben. Bitte auswendig lernen, in Blockschrift schreiben, mit Filzstift verzieren! Der Satz ist in vielen Hirnen noch immer nicht an die richtige Stelle gesickert. Lust ist ein Kind der Freiheit, was bedeutet, so sein, lieben und begehren zu dürfen, wie es für einen selbst passt. Das allerdings ausnahmslos immer unter der Voraussetzung, dass auch das So-Sein, So-Lieben und So-Begehren des Gegenübers gesehen wird. Freiheit und Lust mögen keine Macht-Deals, in deren Rahmen Sex zur Währung oder Bedingung wird. Freiheit und Lust dulden keine Angst, keinen Hass, keine Repression. Freiheit und Lust sind Schwestern vom Bruder „Dialog, aber respektvoll“. Das alles bedeutet überdies auch, einen Körper abseits abstruser Photoshop-Ideale haben zu dürfen. Freiheit und Lust heißt: angenommen werden. Einfach so. Und speziell dann, wenn man nicht mitspielt, obwohl der andere lieber sein Spiel spielen würde.

gabriele.kuhn@kurier.at

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