Sex - und ein Rechenproblem

Aus der Reihe „Forscher haben erhoben“: Regelmäßiger Sex wirkt bei Menschen über 50 Jahre als Gehirn-Booster, er verbessert kognitive Fähigkeiten. Womit sich sofort folgende Frage stellt: Macht noch mehr Sex womöglich Nobelpreisträger aus uns?
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Keiner wird Nobelpreisträger, wenn er sich ab sofort täglich das Gehirn rausvögelt.

von Gabriele Kuhn

über Sex als Gehirn-Booster

"Thinking, Fast and Slow“ („Schnelles Denken, langsames Denken“) heißt ein Buch des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann – und ich lese es gerade. Es ist ja so, dass ich das Tempo, in dem wir leben, denken oder lieben, oft gar nimmer aushalte. Es kann ja wohl für niemanden fein sein, nonstop mit 170 km/h über die Lebensautobahn zu rasen. Weil bei dieser Geschwindigkeit kein Atem mehr bleibt, innezuhalten – um, zum Beispiel, nachzudenken, abzuwägen, durchzuatmen. Das fängt beim Konsum von und Reagieren auf Nachrichten (ich sage nur: Shitstorm-Reflex!) an – und endet etwa bei der Art und Weise, wie wir miteinander tun.

Sex als Gehirnbooster

Kahnemann unterscheidet zwischen zwei Arten des Denkens: System 1 ist intuitiv, System 2 ist rational – allerdings ist System 1 eine Art weißer Riese im Hirn. Und der ist weitaus mächtiger als System 2. Das nämlich muss willkürlich angeknipst werden und ist, ja, genau, langsam. Was das jetzt alles mit dem Thema dieser Kolumne zu tun haben soll? Vielleicht greife ich an dieser Stelle vor. Es ist eine neue Studie renommierter Forscher von den Universitäten Coventry und Oxford. Die haben erhoben, dass regelmäßiger Sex ab einem Alter von 50 die Gehirnfunktion verbessert. Einmal pro Woche schnackseln gilt also als veritabler „Booster“ für die „Brain Power“, wie US-Medien schreiben. Die koital Aktiven in der Kategorie 50plus sind demnach sprachgewandter und bestimmte geistige Leistungen erhöhen sich. Zurück zu meiner Lektüre „Schnelles Denken, langsames Denken“. Darin findet sich eine Rechenaufgabe, die – als das Buch im Jahr 2012 erschienen ist – viral ging. Weil selbst Elitestudenten daran scheiterten und in die Intuitivfalle tappten – das Problem, Sie wissen schon: System 1. Die Aufgabe lautet so: „Ein Ball und ein Schläger kosten zusammen 1,10 Euro. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball?“ – So. Ich hab das dann ausprobiert und mich natürlich prompt vertan – so wie viele andere auch, die das Rätsel rasch und „aus dem Bauch heraus“ beantworten wollten (Die Antwort lautet nämlich nicht: 10 sondern 5 Cent, weil der Schläger 1,05 Cent kostet). Ein paar wenige wussten die richtige Antwort sofort. Das alles fiel mir dieser Tage im Lichte der aktuellen „Sex boostet Gehirnleistung-Studie“ wieder ein und ich fragte mich natürlich in der Sekunde (vermutlich eher intuitiv), ob es da einen Zusammenhang geben könnte. Zwei Sekunden später brüllte mir System 2 das Wort „Achtung, Falle“ zu, während das hartnäckige System 1 hauchte: „Aber lustig wär’s schon, dann könnte man einfach allen Denkfaulen sagen, sie sollen mehr vögeln.“

Tja, so schön manche Studienergebnisse auch klingen mögen – gewisse Schlussfolgerungen lassen sich daraus einfach nicht ziehen. Keiner wird Nobelpreisträger, wenn er sich ab sofort täglich das Gehirn rausvögelt (er wird vermutlich auch nicht dümmer). Und dennoch kann Sex vieles: Er macht schön, er ist aufregend, er ist immer noch eine der besten Nachmittagsbeschäftigungen der Welt – mitunter sogar besser als Gugelhupf mit Schlag und Milchkaffee dazu. Aber auch wenn Sex mitunter ein einziges Wunder ist: Wunder – zumindest, was wir unter Wunder so verstehen – vollbringt er trotzdem keine. Also lösen Sie auch weiterhin Ihren Denksport – vor allem aber: Lesen Sie, lieben Sie, laufen Sie, lachen Sie und lernen Sie. Diese 5-L-Strategie ist immer noch das beste Rezept, um „oben“ fit zu bleiben.

Und weil es eingangs ums Tempo ging: So nett ein Quickie sein kann – Slow-Sex ist auch nicht zu verachten.

gabriele.kuhn@kurier.at

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