Genital-Gelato

Ein deutsches Start-up-Unternehmen namens „Lusty Ice“ produziert Stangerleis in Form von Penissen und Brüsten. Aber wozu braucht der Mensch Eis ohne Stil?
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Ich brauche auch keine Penis-Pasta (ja, gibt es auch) auf dem Teller.

von Gabriele Kuhn

über ein Eis ohne Stil

Es gibt sie, diese Momente der Ratlosigkeit, verbunden mit der Frage: Und was ist davon bitte jetzt zu halten? Besonders groß war diese Ratlosigkeit, als die Erfindung eines Berliner Start-ups namens „Lusty Ice“ durch die digitalen Medien geisterte: Die verkaufen nämlich jetzt Eis am Stiel in Form von Penissen und Brüsten – und das, hach wie leckerschmecker, in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen. Die „Cocksicles“ sowie „Titsicles“ gibt es etwa in der Version Orange-Ingwer-Rosmarin und Erdbeer-Basilikum-Limone. Sowie natürlich in einer Alko-Cocktail-Version – als eine Art Partykracher also.

Smoothies in Genitalform

Im Grunde handelt es sich dabei um nichts anderes als um gefrorene Smoothies in Genitalform, das Zeugs ist vegan. O-Ton der Gründer: „Wir wollen nicht nur einen leckeren Eislolly kreieren, sondern ein besonders schönes Designer-Objekt.“ Aha, genau.

Da poppen natürlich allerlei Fragen auf – die vier wichtigsten: Wozu? Was damit tun? Wer braucht’s? Sowie: Ist jetzt sehr prüde, wer sagt, die Lutscher seien eigentlich ein absolutes No-go und vom Branding wie Design her betrachtet, mega-abgelutscht? Und während man an all das denkt, rollen diverse Bitte-nicht-Szenen durchs Kopfkino: Junge Frauen im Schwimmbad, die sich das Penis-Eis auf der Zunge zergehen lassen. Junge Herren, die sich gruppenwitzelnd daran machen, an tiefgekühlten Fruchteis-Titten herumzulutschen. So ein knallrosa Eis-Penis, der sich in der Hitze eines Sommertags in einen klebrigen Fleck verwandelt. Nein, nein, aber nein. Alles gar nicht gut – und Lichtjahre abseits der Grenzen des guten Geschmacks. Selbst, wenn so eine Produktinnovation möglicherweise erneut als Statement unendlicher Toleranz und Coolness gedacht sein soll, kann man nur sagen: Hoho. Haha. Selten so gelacht. Ganz ehrlich? Selbst wenn die guten Stücke aus dem besten Fruchteis der Welt gemacht sind, sind und bleiben sie ausnahmslos geschmacklos. Irgendwann reicht’s halt. Ich persönlich brauche auch keine Penis-Pasta (gibt es auch) auf dem Teller, nur um zu sagen: Schaut her, ich esse Nudel-Nudeln, so irre lässig. Zum Wozu-Aspekt hatte natürlich der Start-up-Chef höchstpersönlich etwas zu sagen: So ein Penis/Brust-Lolli sei Statement von Emanzipation, das Sexualität in die Öffentlichkeit bringen, aber auch eine provokative Message senden soll. Hauptsächlich gehe es aber um Spaß und Abwechslung. Aha. Dann wäre es offensichtlich jetzt auch höchst an der Zeit für Straßenbahnen in Kondomform oder Taxis mit tittenförmigen Scheinwerfern. Im Ernst jetzt: Die Öffentlichkeit ist zugespamt mit Sexualität. Danke, genug! Außerdem kommt sowohl Tiefkühlpenis als auch Brüste-Eis wahnsinnig plump daher – fantasielos, uninspiriert, schlicht. Das rangiert auf Flughöhe mit Witzen aus der Schenkelklopf- und Sauna-Kategorie: „Gehen zwei Penisse ins Kino. Sagt der eine zum anderen: Hoffentlich ist es kein Porno, sonst müssen wir wieder stehen!“ Bruhaha. Abgesehen davon fällt auf, dass eine Brust kein Pendant zum Penis ist, das wäre – würde man präzise Geschlechtsteileisproduktentwicklung machen – logischerweise die Vagina. Es ist ja zu befürchten, dass dies ganz bewusst geschehen ist. Der Lutschfaktor, Sie wissen schon. Und tatsächlich spielt der Genital-Gelato-Erfinder auch sehr bewusst mit derlei Ideen, so sagt er etwa: „Der visuelle Eindruck unserer Form soll Reaktionen auslösen.“ Jo eh. Irgendein Marketingtrick, und das Eis – vegan hin, vegan her – ist einfach deppert. Noch dazu um vier Euro.

gabriele.kuhn@kurier.at

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