Kann ein Pantscherl Sünde sein?

Die Raffinesse des Wienerischen drückt sich in so vielem aus – unter anderem in der Wiener Vorliebe für den Diminutiv, also dem verkleinernden „-erl“ am Ende eines Wortes. So wird aus einer Affäre ein „Pantscherl“. Nicht harmlos, aber es klingt wenigstens a bisserl so.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Das Pantscherl rührt und irritiert gleichzeitig, da schwingt Zärtlichkeit mit

von Gabriele Kuhn

über die Erotik des Wienerischen

Ich mag ja das Wienerische – so es sich nicht in den Tiefen des sprachlichen Niedergangs verliert – sehr, sehr gerne. Nicht nur weil ich Wienerin bin, sondern weil das Wienerische dem Leben so oft das Tempo nimmt. Weniger zackzack, mehr „moch ma scho“ oder „schee langsam, gnä Frau“.
Überhaupt, wenn es um die Liebe und alles damit Verbundene geht. Mitunter tut’s der Liebe gut, wenn sie mit sprachlicher Gemütlichkeit daherkommt. Denn, wer weiß: Vielleicht überträgt sich die Sprache ja tatsächlich auf das Tun? Und das Huschhuschzackzack im Betterl mutiert zu einem gemütlich verschnackselten Nachmittag, an dem sich dann womöglich noch eine Melange und ein Apfelstrudel mit einem Riesentupf Schlagobers ausgeht. Mit dem aktuellen Gspusi, versteht sich. Zwar wirkt es ein Vielfaches mondäner, eine „Affäre“ zu haben – weil es so französisch, so von Welt, so elegant daherkommt – aber in so einem „Pantscherl“ steckt doch auch recht viel Charme.

Liebelei halt.., was soll's?

Der Begriff ist, wie das Wienerische an sich, wunderbar larmoyant, wie aus einer fernen Zeit. Einer Zeit, in der man noch flanierte oder spazierte und weniger hetzte und stresste. Einer Zeit, die in ihrer zeitlos-picksüßen Anmutung vermutlich eine einzige Schimäre war. Aber vielleicht war genau das ihr Reiz. Im Begriff „Pantscherl“ steckt sehr viel von dieser Doppelbödigkeit. Die ganze Schwierigkeit und Lieblichkeit der kleinen, meist heimlichen Liaison, ihre Verniedlichung zu etwas völlig Harmlosem. Eine Liebelei halt, meine Güte, was soll’s – aber Betrug, Betrug? Geh bitte, was für ein nüchternes Wort. Denn, Kinder: Jeder ist doch einmal ein bisserl schwach, ein bisserl weich, ein bisserl sündig. „Der oide Sünder, der kennt sich aus! Er schleicht, wann's Nacht wird, schnell aus dem Haus! Er geht zum Wein, Wein, Wein! Und Maderl fein, fein, fein.“ Das Pantscherl rührt und irritiert gleichzeitig, darin schwingt Zärtlichkeit und, ja, ein bisserl was Patschertes mit. Nix Böses. Hier offenbart sich das ganze Geheimnis des Wienerischen – die Raffinesse der subtilen Botschaft. Der Charme des Wiener Dialekts besteht nämlich auch in seiner augenzwinkernden Doppelbödigkeit. Im Witz steckt Wahrheit und zugleich Ernst, in der Wahrheit steckt zugleich der Schmäh. Und dann dürfen wir uns „einelamurn“ (sich zum Gegenstand der Liebe einer Frau/eines Mannes machen), dürfen anbandeln, haben uns „zuweglant“ (angelehnt) und ordentlich „querbrat’n“ (intrigieren, eine bestehende Liebesbeziehung stören). Aber das mocht jo nur ein bisserl was, gell? Und so fällt mir an diesem Frühlingstag, heute vor Ostern, der kürzlich verstorbene Wienerliedinterpret Karl Hodina ein, dessen in Noten gegossene Liebeserklärung „I liassert Kirschen für di wachsn“ bei mir nach wie vor für ganz hohes Ganslhaut-Aufkommen sorgt. Den kleinen Text möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

I liassert Kirschen für di wachsen ohne Kern,
wann mir der Himmel g'hörat griagast jeden Stern,
wann I die Sunn' derglenga tät, i möcht sie hoin
und wann's für di is, hätt' i scho des Frühjahr g'stoin.
Der Wald für di', der müsst' aus lauter Christbam sei'
und wannst du ausse schaust is allerweil nur Mai
und dicke Perser tät' i leg'n unter dein Schritt
und wann i 'Helf Gott' sag, am liabsten durch a Lied.
So denk' i über di, doch du denkst net an mi
und mir tät's doch so guat, von dir a liabes Wort,
von dir amol die Hand und net a kalte Wand.
Geh' drah' di amol um und sog zu mir: „Na kumm“.

gabriele.kuhn@kurier.at

Kommentare