Der Mann hinter Wonder Woman

Die Kino-Verfilmung der Comic-Serie begeistert die Zuschauer, eine Frau als Superhelden-Gegenentwurf gilt als feministisches Statement. Doch wer war der Mann, der Wonder Woman erfand? Die US-Historikerin Jill Lepore hat die seltsame Geschichte von William Moulton Marston aufgedeckt – und die hat auch ein bisschen mit Sex zu tun.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Botschaft angekommen – aber war sie auch so gemeint?

von Gabriele Kuhn

über die "Wonder Woman"-Comics

Offenbar war es höchste Zeit für eine Shero – eine weibliche Kino-Superheldin als Gegenentwurf zu Herren wie Batman oder Superman. Kein Wunder, dass Regisseurin Patty Jenkins mit der Verfilmung der Comicfigur „Wonder Woman“ gerade alle Kassenrekorde bricht. Nicht nur: Die Geschichte rund um das Superwesen Diana Prince (gespielt von Gal Gadot) wird auch als feministisches Statement gefeiert – schließlich kommt Wonder Woman von der Insel der Amazonen, wo Frauen regieren, weit und breit kein einziger Mann. Sie kämpft strategisch anders als ihre männlichen Kollegen: mit Mitgefühl. Klar gibt es echte Waffen, wie ihr Wahrheitslasso, das sie um ihre Gegner schlingt und die dann nicht lügen können. Und erotisch wirkt sie obendrein. Womit wir bei Wonder Womans Schöpfer gelandet wären und dessen seltsamer Geschichte, die viel mit Feminismus, aber auch allerlei mit Sexualität zu tun hat. Dieser diffuse Mix scheint es, der den Psychologen William Moulton Marston – er gilt als Erfinder des Lügendetektors – seine weibliche Heldin im Jahr 1941 herbeifantasieren ließ. Inspiriert dazu wurde er durch seine Partnerinnen.

Dreiecksbeziehung

Der Psychologe lebte in einer polyamoren Beziehung mit zwei Frauen, mitunter waren es sogar drei. 1915 heiratete er Elizabeth Holloway, 1925 verliebte er sich in Olive Byrne, seine Studentin. Seiner Ehefrau ließ er die Wahl: Entweder sie würde die Dreiecksbeziehung akzeptieren oder er würde sie verlassen. Man arrangierte sich und lebte befreite Sexualität. Beide waren Frauen mit feministischem Hintergrund, Byrne war mit Margret Sanger verwandt, einer US-Frauenrechtlerin und Gründerin von Planned Parenthood. Beide bekamen mit Marston je zwei Kinder. Nach außen hin blieb das alles ein Familiengeheimnis. Erst vor einiger Zeit wurde es von der US-amerikanischen Historikerin Jill Lepore aufgedeckt und in „The Secret History of Wonder Woman“ zusammengefasst. PR-technisch war Wonder Woman als jugendfreies Role Model konzipiert – für die starke Frau, die Männern überlegen ist. Marston sprach von einem neuen Frauentyp, der „die Welt regieren sollte“. Klingt eindeutig, ist aber vielleicht nicht die ganze Wahrheit des Lügendetektorerfinders: Marston war auch sehr an Sexthemen interessiert, sowie durch seine Studien überzeugt, dass Frauen viel gefühlvoller wären als Männer und sich dies in ihrer Sexualität widerspiegele. Er ordnete Frauen einerseits einen überlegeneren Platz in der Mann/Frau-Hierarchie zu, gleichzeitig meinte er, dass sie sich in der (sexuellen) Unterwerfung wohler fühlen würden. In seinen Wonder-Woman-Episoden gab es so gut wie keine Folge, in der die Heldin nicht in Ketten oder gar in speziellen Masken zu sehen war, was sogar zu Anfragen von Lesern führte, die sich für diese „Accessoires“ einschlägig interessierten. Aus Sicht Marstons waren damit aber jene Ketten gemeint, mit denen sich die Suffragetten seiner Zeit fesselten, um auf die Unterdrückung der Frauen aufmerksam zu machen. Wie immer man die Geschichte von Wonder Woman wahrnimmt: Ein Nachgeschmack bleibt, denn manches wirkt unklar. Man könnte sagen: Botschaft angekommen – aber war sie auch so gemeint/gelebt? Marston starb 1947 – seine Frauen blieben bis ans Ende ihrer Tage zusammen, 48 Jahre lang. Zweitfrau Olive trug als Zeichen ihrer Verbindung zwei Armreife – so wie Wonder Woman. Die Arbeit an den Comics wurde nach Marstons Tod von einem anderen Mann übernommen – der machte dann aus der Amazone, was opportuner schien: ein Model, einen Babysitter, einen Kinostar.

gabriele.kuhn@kurier.at

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