sex IN DER FREIZEIT: Besessen
Was eine knisternde Liaison mit Preiselbeersaft zu tun hat? Mehr als der Laie auf den ersten Blick vermuten würde. L, 34, hat seit kurzem ein Nahverhältnis mit einem potenten Kerl. Nach dem 15. Verkehr in fünf Tagen (genau: macht drei Mal Vögeln pro Tag. Neidisch?) hockt L mehr auf dem Klo als auf ihrem Lover. Der Grund steht im Medizin-Lexikon unter H wie Honeymoon-Cystitis: L ist stoßempfindlich, fachlich formuliert: "Bei dieser Form von Blasenentzündung kommt es durch mechanische Überbeanspruchung zu einer Irritation von Vagina und Harnröhrenmündung." Mit etwas Pech mischt bei der Erregung auch noch so mancher Erreger mit - patsch, schon steckt eine junge Frau im Pendelverkehr: vom Bett aufs Klo, vom Klo zum Bett. Dazu wird mit Preiselbeersaft auf das Stoßen angestoßen. Der soll fein für die Blase sein. L ist dennoch lebenslustig und zitiert heiter das Ursache-Wirkung-Prinzip: "Wenigstens weiß ich, wovon. Wo viel gehobelt wird, . . . du weißt schon." Sprachs und ging Gummis für die nächste Sparring-Runde kaufen. Apropos viel hobeln. Es ist spannend, wie leistungs- und widerstandsfähig so manch fade Trutsch'n wird, wenn ein Lover ins Spiel kommt. L galt eher als fad und träge - Motto "Nur keine Wellen." Sie hatte schon Muskelkater vom Öffnen eines Chips-Sackerls auf der Fernsehcouch. Auch sonst wirkte sie eher wie eine Klinikpackung Baldrian-Hopfen-Perlen. Bis Meister Popper kam, sah und sie fit fickte. Liebe(n) verändert und das ist das Schöne daran. Man fühlt sich vom anderen besessen - dank eines hormonellen Ausnahmezustands, der nicht nur die Libido verändert. Das macht euphorisch, energiegeladen, unvernünftig - verrückt, geradezu zwanghaft. Wissenschaftler vergleichen die erste Verliebtheit mit einem Zwangsleiden - es existiert fast nix mehr anderes im Kopf der Glücklichen. In diesem Modus ist selbst der vernünftigste Mensch zu allem und allzeit bereit. Viele essen dann wenig, saufen viel, schlafen kaum und leben von einer Herzattacke zur nächsten. Die meisten Menschen geben in dieser Phase auch völlig sinnlos Geld aus - für schweineteure Dessous, neue Seidenbettwäsche oder beeindruckende Abendessen in eigentlich unleistbaren Etablissements. Was kostet die Welt? Eine wunderbare Zeit - man möchte sie nicht missen. Wer den Lauf der Liebe in den Gleichtakt des Durchschnittlichen - allseits als "Gewöhnung" bekannt - bedauert, dem sei allerdings geholfen: Irgendwann ist es gut, dass der ganze Wahnsinn ein Ende hat - die Ausnahme geht, das Normale kommt. Denn aushalten würde ihn auf Dauer keiner - als Direttissima in den Hirn- und Herzinfarkt, in die Arbeitslosigkeit und Verarmung. Und - genau genommen - in die totale Verblödung, weil man an nix anderes denken kann als an Sachen wie diese: "Wann sehe ich ihn/sie wieder? Wann ruft er/sie mich an? Und wieso schaut er/sie so komisch?" Für niemanden ist es entwicklungsfördernd, wenn die Gedanken sich immer nur um den anderen drehen. Irgendwann ist es Zeit, zu sich zurückzukehren. Denn erst wenn der Wahnsinn geht, kann die Liebe kommen. Ohne Preiselbeersaft.
Kommentare