Nix dahinter
Wunderbare Wortschöpfung, wenn Sie mich fragen: Der "goldene Windbeutel" war mir bisher unbekannt – nun weiß ich, dass in Deutschland damit dreiste Werbelügen ausgezeichnet werden.
Ich fände es ja nett, gäbe es diesen Titel nicht nur für Produkte, sondern auch für so manches Manns-Scheinbild. All die hyperaktiven Testosteron-Milchschnitten, die so tun als ob. Die tarnen, täuschen, heucheln und sich ihre doppelten Böden schönplauschen. Alles nur, um ein paar Mal fein zu vögeln. Beinahe jede Frau hat so einen Windbeutel in ihrer Biografie. Und wenn’s schlecht hergeht, sogar mehrere. Ich würde behaupten: Es gibt Damen mit starker Neigung zum Windbeuteltum. Ich zähle da nicht so dazu, bei mir waren es drei. Ich war jung und brauchte die Aufmerksamkeit.
Mein "goldener Windbeutel" nannte sich Tom, war 29, und gab vor, seelisch waidwund zu sein. Die hundsgemeine Ex, die sein Herz mit Stilettos getreten hatte. Die kalte Frau Mama, die ihn ein Mal pro Woche den Spinat aufessen ließ. Vermutlich hatte der Mann meinen Hang zu schweren Fällen gewittert. Für mich galt damals: Je komplizierter einer, desto entflammter! Ich fand, wer die Welt retten möchte, muss erst einmal einen Typen retten. Oder zwei, drei. Also präferierte ich düster gestimmte Philologiestudenten, die rauchend Camus zitierten, dann eine Runde billigen Alkohol soffen, weinten, um schließlich tröstenden Sex mit mir haben zu wollen.
So landete ich – das war in den späten 1970ern – bei Tom. Der war zwar kein Student, sondern Verkäufer in einer KFZ-Zubehörfirma ("nur a Überbrückungsjob, I wü eh die Matura mochn und wos studiern. Mei Vota hat jo mei Lebn zerstört"). Mit Schmollmund und dunklen Locken gab er das angeschossene Wild. Wir landeten rasch, wo er mich haben wollte: in der Horizontalen. Wo ich doch dachte, mein Engagement würde seine Seele nähren und ihn zum Besuch einer Abendschule motivieren. Nach zwei Wochen Non-stop-Koitus stand er auf, sagte Tschau, bis morgen und rief nie mehr wieder an. Wie sich herausstellte war Tom an Bildung genauso wenig interessiert wie an einer Beziehung mit mir. Stattdessen gab er mit der Zahl seiner Flachgelegten an. Ich kursierte als Nummer 62.
Meine Mutter nannte solche Herren Hallodris. Viel zu charmant. Ein Hallodri spielt in Heimatfilmen mit, hat was Zünftiges an und lässt sich von Hannerl Matz läutern. Windbeutel hingegen sind die Scharlatane der Liebe – was sie tun, dient ihrer Selbstbefriedigung. Das sind die gut Verheirateten, die jammern, ihre Ehe sei kaputt und die Gattin frigide. Um sich so ein paar Monate Festspiele in der Fremde zu erschleichen. Die "andere" bemerkt oft Monate nicht, dass er nie beabsichtigt, das Domizil und die Eheringe zu wechseln. Das sind Männer, die im letzten Moment gemeinsame Reisen absagen, keine SMS empfangen können, immer nur untertags anrufen oder in jeder Stadt eine Schöne haben, die doof genug ist, stets für ihn da zu sein.
Und was sagt der Hausverstand? Für’s Überleben des WBs braucht es ein Gegenüber, das an die Milch in der Milchschnitte glaubt. Oder an die Gute Laune im Tee. Besser wäre: Erst fühlen, dann vögeln. Oder nur vögeln und an nix glauben.
gabriele.kuhn(at)kurier.at
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