Nein. Nein. Und nochmals nein.

Statt Internet-Pornos pauschal zu verdammen, gehören sie enttarnt. Schluss mit Mythen, raus aus der Schmuddelecke – reden wir darüber. Um Jugendliche netz- und „pornofit“ zu machen, ist der offene, entspannte Dialog wesentlich, meinen Experten. Denn in den meisten Fällen ist Sex wunderbar, aber stilistisch völlig unspektakulär.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Das Thema Pornos im Netz muss angesprochen werden

von Gabriele Kuhn

über pornofite Jugendliche

Den Konsum von Internet-Pornos völlig zu verharmlosen ist genauso blöd wie ihn völlig zu verdammen – so endete vorige Woche der Gedankengang zum Thema an dieser Stelle. Anlass war eine Cover-Geschichte des TIME Magazine im April, in der – zugespitzt – von einer Gefährdung der Männlichkeit durch Netz-Pornografie die Rede war. Verbrämt mit den Geständnissen junger Männer, die sich für die totale Enthaltsamkeit entschieden haben. Motto: Nie mehr Netz-Sex.

Das Thema ist vielschichtiger, wie der Psychologe Thorsten Leimbach in seinem Ratgeber „Internet-Porno“ schreibt: „Internet-Pornografie hat verschiedene Facetten und – je nach Persönlichkeit des Users und der Art der Pornografie – unterschiedliche Auswirkungen, die von der sexuellen Anregung bis hin zur Sucht mit gravierenden Folgen von Impotenz und Beziehungsunfähigkeit reichen.“ Da gilt: Nicht jeder, der schaut, ist ein kontaktarmer Masturbations-Nerd, der täglich zehn Deep-Throat- und 15 S/M-Movies braucht, um einmal zu kommen. Dennoch haben wir es hier mit einem potenziellen Suchtmittel zu tun, das im Hirn etwas macht – und das schon sehr früh. Man spricht von „supernormaler Stimulation“, an die sich das Gehirn gewöhnt und entsprechende Netzwerke ausbildet. Das zu tabuisieren und wegzuschweigen, wäre keine gute Idee. Daher sind Eltern und Erzieher gefordert. Es reicht schon längst nicht mehr, mit der Storch-Sache aufzuräumen und den Kindern dezent ans Herz zu legen, beim ersten Verkehr einen Gummi zu nehmen. Das Thema „Pornos im Netz“ muss angesprochen werden. Die Frage ist nur, wie. Leimbach betont, wie wichtig es wäre, würden Erwachsene mit den Jugendlichen informierend, wertfrei und im Dialog darüber reden. Statt zu dämonisieren, muss das Zeug raus aus dem Schatten, aus der Heimlichkeit – ans Licht. Dabei scheint besonders wichtig, das Dargestellte zu entmystifizieren: Wollen wirklich alle Frauen, so wie dargestellt, von mehreren Männern gleichzeitig in alle Körperöffnungen penetriert werden? Stehen wirklich alle Frauen auf brutalen Analsex oder Fesseln? Haben alle Männer gigantische Schwänze und alle Frauen gigantische Brüste? Nein. Nein. Und nochmals nein. Medienkompetenz ist angesagt, verbunden mit der Frage: Ist das, was ich sehe, tatsächlich richtig und der Realität entsprechend? Auf diese Weise enttarnt, wirken die Bilder weniger stark. Und dann ist es auch völlig okay, wenn Pornos spaßhalber oder aus schlichter Neugierde angesehen werden. Stets im Bewusstsein: Das hat mit realem Sex kaum zu tun.

Apropos – an dieser Stelle ist ein virtueller Ausflug auf die Porno-Seite „Make Love Not Porn“ zu empfehlen. Sie wurde von der britischen Unternehmerin Cindy Gallop gegründet, mit der Idee, normale Paare beim „normalen“ Sex zu filmen. Weil es damit gelingen könne, mit den Mythen der Hardcore-Pornoindustrie aufzuräumen – speziell bei jungen Menschen. In einem Interview mit der KURIER-Futurezone sagte sie: „Pornografie macht Sex steril.“ Auf ihrer Homepage können User unter der Rubrik „Porn World“/„Real World“ Mythen aufdecken. Ein Klassiker: „Alle Frauen liiiiiieben Blow-Jobs“ (Mythos). Die Wahrheit: „Es gibt Frauen, die’s mögen und solche, die es nicht mögen. Lass dich nicht unter Druck setzen und mache nichts, bei dem du dich unwohl fühlst.“

gabriele.kuhn@kurier.at

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