Mama, chill mal!
Es war keine Hitzewallung, es war der Film. Genauer gesagt ein Zitat aus einer Teenie-Komödie, die die Zwölfjährige für den Mami-Tochterabend vorgeschlagen hatte. Es bescherte der Mitseherin in ihren Mittvierzigern akute Schweißausbrüche – und ging zirka so: „Du hast wohl auch keinen Schwanz abgekriegt?!“ – „Schwanz? Ich bin noch nicht mal geküsst worden!“ Die Tochter kicherte, die Mutter transpirierte bei 150 Grad Panik-Umluft. Sekunden später perlten die nächsten Wortspenden vom Bildschirm ins Wohnzimmer: „Nicht mehr länger werden unsere Penisse schlapp und unnütz sein!“ – „Nicht mehr länger werden wir Opas Pornos klauen!“ – „Ja, und wir werden nicht mehr länger Augenbinden tragen müssen, wenn wir uns gegenseitig einen runterholen.“ Jetzt schielte Mutter auf die Filmpackung – da stand: FSK 12. Die Tochter sprach: „Mama, chill mal! Ich bin kein kleines Kind mehr, das ist harmlos.“ Das fand die Mama gar nicht. Und unterschätzte damit den aktuellen Wissensstand des Nachwuchses. Nun, oft wissen die Eltern nicht, wo ihre Kinder gerade so stehen. Das trifft vor allem auf das Thema Sexwissen zu. Weil die Existenz eines Dings namens Internet viel verändert hat und sich die „Alten“ einer veränderten Realität stellen müssen. Das macht es für Eltern nicht einfach, die ihrerseits durch tafelgrüne Ratgeber mit Titel wie „Woher kommen die kleinen Mädchen und Buben?“ anatomisch korrekt aufgeklärt wurden – und sich den verschwitzten Rest bei Dr. Sommer zusammensuchen mussten. Um irgendwann zu kapieren, dass das Zwirbeln einer Brustwarze doch nicht zwingend einen „bebenden Höhepunkt“ auslösen würde. Aber immerhin – so machte jeder seine (Körper)erfahrungen. Heute ist das so: Erst die Bilder, dann die Erfahrungen, die diesen meist recht heftigen Bildern folgen. Mit den Kindern über das Thema zu sprechen, ist daher wichtiger denn je. Eine aktuelle Studie ermutigt dazu: Je besser Teenager mit ihren Eltern über das Thema Nummer 1 reden können, desto „sicherer“ ist deren Sex später. Speziell Mädchen verwenden eher Verhütungsmittel, wenn sie eine gute Gesprächsbasis mit den Eltern hatten. Die Praxis ist dennoch schwierig. Der Bienchen-Blümchen-Plausch mit den Kleinen zu führen, ist ja noch easy. Aber dann: wo, wann, wie? Beim Familienessen zwischen zwei Bissen Spaghetti Carbonara rasch mal eine Runde zum Thema „Onanie in Zeiten von YouPorn“ anzureißen, hat was leicht Neurotisches. Schicksalsschwer ins Zimmer des Teenies einzudringen, mit den Worten „Du, wir müssen da mal was besprechen“, kommt auch nicht so gut. Da ist die Abwehrhaltung vorprogrammiert. Umgekehrt wissen die Kids selbst nicht, wie sie das Thema angehen sollen. Sie würden zwar gerne etwas über Sex wissen, aber bitte nicht von den Eltern. U. a. aus Angst vor deren Moralpredigten („Bitte, woher hast du DAS denn?“) und im fixen Glauben an deren Unwissen – Teenies sehen ihre Eltern gerne als geschlechtslose Wesen, die den Sex abgehakt haben („Der Papa glaubt sicher, ich bin abartig, wenn ich ihm das erzähle.“). Was tun? Locker, unpeinlich und natürlich-offen mit dem Thema umgehen. Und das möglichst frei von Bewertung, Moral und Besserwisserei.
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