Laufhaus, Na und?

Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Männer werden Sex kaufen wollen. Höchste Zeit, Sexarbeit aus der Illegalität zu zerren.

von Gabriele Kuhn

über sexuelle Dienstleistungen

Natürlich lässt sich wunderbar darüber diskutieren, ob die Tatsache, dass vor den Toren Wiens demnächst das „größte aller europäischen Laufhäuser“ eröffnen wird, eine mediale Spitzenmeldung sein soll. So manch selbst ernannter Hüter der Moral meint, für ein Vögel-Outlet (schön formuliert: „Fun-Motel“) zu werben, sei verwerflich und ziemlich bäh. Am besten bitte, man denke erst gar nicht dran, es überhaupt zu bauen. Die Bürger fürchten sich, die Zeitungen spekulieren, große, große Aufregung.Perfekte Gelegenheit also, um sich wieder einmal am erhobenen Zeigefinger zu begeilen, dabei ist die Empörung so alt wie das Gewerbe selbst. Puffs und das gesamte damit verbundene All-inclusive-Problem-Paket sind Teil unserer Lebensrealität. Moral hin, Moral her. Männer werden für Sex zahlen wollen (müssen). Laut einer Wiener Studie nimmt jeder zweite erwachsene Österreicher mindestens einmal in seinem Leben die Dienste einer Prostituierten in Anspruch. Vorsichtigen Schätzungen zufolge bedient eine Sexarbeiterin täglich durchschnittlich drei Freier – ergibt ungefähr 15.000 Freierkon­takte pro Tag, alleine in Wien. Interessant dabei: Die Nachfrage scheint legitim, die Arbeit der Sexdienstleisterinnen allerdings nicht. Die müssen nach wie vor im Pfui-Bereich am Rande der Gesellschaft agieren.Natürlich ist es schwer nachvollziehbar für jene, die sich als „anständig“ bezeichnen, wie sich junge Frauen womöglich zum Flatrate-Tarif begatten lassen können. Da sitzt man und urteilt. Ahnungslos deshalb, weil die meisten Bürgerinnen und Bürger keinen Schimmer haben, was Menschen dazu bringt, ihren Körper zu verkaufen. Abgesehen davon, dass es nach wie vor viele Frauen gibt, die in einem Arbeitsumfeld von Zuhälterei und Ausbeutung zur Prostitution gezwungen werden und Unglaubliches erdulden müssen. Das ist traurig, das ist verwerflich, dagegen muss etwas getan werden. Doch es gibt auch Sexworkerinnen, die nicht müde werden zu sagen: „Leute, das ist mein Job – ich mach das, um Geld zu verdienen.“ Diese Frauen haben ein Recht. Sie haben ein Recht, von den Hütern der Scheinmoral in Ruhe gelassen zu werden. Sie haben ein Recht auf Selbstbestimmung, Menschenwürde und Entkriminalisierung. Womit der Bogen zum neuen Laufhaus (ein Haus, in dem sich Sexworkerinnen einmieten und ihre Dienste weitgehend unabhängig anbieten können) gespannt wäre. Wenn es wirklich stimmt, dass in diesem Projekt angedacht wird, den Sexdienstleisterinnen eine Infrastruktur (Werbesprech: „auf Viersternhotel-Niveau“, mit ärztlicher Versorgung etc.) zu bieten, wäre das ein weiterer Schritt, um Prostitution aus dem Schatten zu zerren. Um Frauen das zu sichern, was ihnen zusteht: Unabhängigkeit – etwa von Zuhältern. Voraussetzung dafür wären allerdings faire Mieten und Verträge, um indirekte Ausbeuterei (quasi Zuhälterei auf nobel) zu verhindern.Moralisieren macht also nix besser – denn „Moralisten versuchen vergeblich, dem Feuer das Rauchen abzugewöhnen“ (Gregor Brand, Schriftsteller). Doch wie die es auch drehen und wenden wollen: Der Trieb bleibt, der Markt geht nicht. Höchste Zeit, das zu kapieren.

gabriele.kuhn@kurier.at

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